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Essen - notwendig, fragwürdig, köstlich und gefährlich

Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme. Essen ist ja nicht nur lebensnotwendig, sondern schmeckt auch (hoffentlich) gut. Eine philosophische Betrachtung.

01.03.2019 pph 

Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme. Essen ist ja nicht nur lebensnotwendig, sondern schmeckt auch (hoffentlich) gut.

Aber das Thema Lebensmittel ist längst auch zum Problemfall geworden. Einerseits global, andererseits auch persönlich.

Unser Planet ernährt mittlerweile mehr als sieben Milliarden Menschen, oder besser er kann es. Denn einerseits verhungern in der Dritten Welt noch immer Millionen, andererseits türmen sich in der westlichen Hemisphäre die Müllberge aus verdorbenem Essen zu tonnenschweren Müllbergen.

Und überhaupt: das Essen an sich. Heute meist von großen weltumspannenden Lebensmittelkonzernen hergestellt (vor allem Konserven, Tiefkühlprodukte, Fertiggerichte und Fastfood) beinhalten heute nicht nur Unmengen von Zucker und Fett, sondern auch Antioxydantien, Färbemittel, Palmöl und vieles mehr, was eigentlich nicht zur Nahrung gehört.

Es ist auch nicht beruhigend zu wissen, das wohlhabende Chinesen ihre Nahrungsmittel in Europa einkaufen, weil ihre eigenen Böden viel zu vergiftet sind. Insgesamt wird Nahrung in jede beliebige Richtung rund um den Erdball verschickt, u.a. weil wir im Winter Beeren und Avocados essen wollen. (Der Avocado-Konsum und deren Anbau in Südamerika sind ein eigenes Problem, weil durch die gestiegene Nachfrage immer mehr Regenwald gerodet wird).

In Europa und damit auch in Österreich sind dominieren Lebensmittelkonzerne und riesige Handelsketten, die bereits auch eigene Lebensmittel produzieren das Geschäft mit der Nahrung. Ihre unwichtigsten Produkte – Süssigkeiten, Softdrinks und Knabberzeugs – werden im gefühlten 10-Minuten-Takt und zwar auf allen Kanälen nicht nur beworben, sondern penetriert.

Dazu kommt, dass sozial schwache kinderreiche Familien, aber auch Pensionisten und Sozialhilfeempfänger einfach das Geld und die Zeit für eine bewußte und gesunde Ernährung haben. Beide Eltern berufstätig, keine Zeit fürs Kochen und nicht einmal für gemeinsame Mahlzeiten. Kinder stehen mittags bei McDonalds und ähnlichen Gourmettempeln Schlange. Das kleiner Übel dabei ist, dass der regelmäßige Verzehr auch geschmacksbildend ist. Den Rest über die Fastfood-Problematik erfährt man in dem legendären Doku-Drama des US-Regisseurs Morgan Spurlock, der McDonald's und andere Fast-Food-Ketten kritisiert. https://www.youtube.com/watch?v=F198TzTnG9g

Die andere Seite dieser Entwicklung ist die dramatische Zunahme bei Stoffwechsel-Erkrankungen wie Adipositas und natürlich auch Diabetes. Diese Entwicklung wiederum kostet unser Gesundheitssystem und damit uns alle hunderte Millionen Euro und die Betroffenen Lebenszeit und –Qualität.

Eines der Probleme ist zweifelsohne auch, dass mittlerweile zumindest eine ganze Generation die derzeitige Entwicklung von Anfang an mitgemacht hat und teilweise gar keine Alternativen mehr kennt. Allerdings: diese jungen Menschen entdecken jetzt – quasi als Rebellion gegen die Supermarkt-fixierten Eltern – Bioläden wie Denn´s oder Direktanbietern wie Biomitter für sich und kaufen dort biologisch einwandfreies Obst und Gemüse, das den Jahreszeiten konform angeboten wird und zusätzlich oft ohne Plastikverpackung auskommt. Das funktioniert meist dann gut, wenn es sich um  Dinks-Pärchen (Dinks= double income no kids) handelt. Denn biologisches Obst und Gemüse kostet natürlich deutlich mehr.

Essen – eine der natürlichsten Sachen der Welt – ist also ganz schön kompliziert geworden, Noch mehr, wenn man mit der Diagnose Diabetes lebt. Denn einerseits darf unsereins heute schon alles essen und ist nicht mehr von zahlreichen Verboten eingeschränkt. Andererseits ist es gar nicht mehr einfach, Lebensmittel zu finden, die nicht unendlich aufgezuckert oder aufgefettet sind. Zusätzlich sind die Nährwert-Angaben nach wie vor in so kleinen Buchstaben gedruckt, dass ältere Menschen ohne Lupe daran verzweifeln. Dazu kommen Verwirrungen wie Angaben pro 100 Gramm bei Packungsgrößen von 180 Gramm. Die Lebensmittel-Industrie verweigert auch hartnäckig simple Angaben wie eine Nährwertampel, die mit rot, gelb oder grün die „Gefährlichkeit“ von Lebensmitteln kennzeichnet.

Wenn im letzten Februardrittel die Nachricht von der geschlossenen größten Nutella-Fabrik durchs Netz geistert, flippen die sozialen Netzwerke aus und man hat den Eindruck, das Ende der Welt wäre gekommen. Dass Ferrero nicht nur wegen Nutella zu den größten Verbrauchern des billigen Palmöls zählt und damit letztlich zu den Zerstörern unseres Planeten zählt, sei nur am Rande erwähnt.

Wesentlicher ist, dass wir Konsumenten durchaus ein Wort mitzureden haben. Alle Produkte, die wir konsequent weder kaufen noch konsumieren, haben oft zwei Dinge gemeinsam. Sie sind weder besonders gesund für uns noch besonders gesund für unsere Umwelt. Dass unser Kaufverhalten auch große Konzerne zum Umdenken zwingen kann, beweist ein aktuelles Beispiel aus Amerika: Kraft Foods, Hersteller von "Köstlichkeiten" wie etwa 

    A.1. Steak Sauce Bonox Bull's-Eye Barbecue Sauce Claussen pickles Grey Poupon Kraft Mayo Miracle Whip Vegemite, Café HAG Capri Sun Country Time Crystal Light Gevalia Kool-Aid Maxwell House Tassimo, Boca Burger Calumet Kraft Macaroni and Cheese Oscar Mayer Planters Shake 'n Bake South Beach Living Stove Top Velveeta Shells & Cheese und anderem hat das veränderte Verhalten der Konsumenten verschlafen und muss jetzt ein paar Milliarden in die Hand nehmen, um sich neu aufzustellen. 

Ich geb zu, mir haben all diese Überlegungen in Kombination mit regelmäßiger Bewegung ein Minus von zwölf Kilos bei meinem eigenen Körpergewicht beschert. Eine Option für Sie? Achten Sie einmal beim Einkauf darauf. 

Ich freue mich wie immer über Anregungen, Lob und Kritik und wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit unserer Märzausgabe.

Herzlichst

Peter P. Hopfinger

Herausgeber und Chefredakteur

www.dabetes-austria.co