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Drinnen ist Krieg, draußen ist Frieden!

Gabriele Prassl arbeitet auf einer Corona-Intensivstation.

Meine lieben Freunde, Bekannten und alle die es interessiert!
Ich habe etwas auf dem Herzen, das ich hier teilen möchte.

Seit Anfang April arbeite ich auf einer Corona-Intensivstation.
Von Freitag auf Samstag hatte ich Nachtdienst und nachdem am Samstag so herrliches Wetter war, wollte ich es unbedingt auch nutzen und bin ins Belvedere um dort ein wenig Sonne zu tanken. Nachdem ich am Vormittag und über Mittag ein paar Stunden geschlafen hatte, machte ich mich auf den Weg.

Die vielen Menschen dort im Schlosspark zu sehen, wie sie ihren Spaziergang machen oder ihre Laufrunden drehen, gemütlich auf der Parkbank sitzen und ihr Buch lesen, kommt mir so surreal vor. Alles scheint so normal zu sein und obwohl ich weiß, dass auch für diese Menschen nichts normal ist, weiß ich auch, dass sich niemand von ihnen auch nur annähernd vorstellen kann, was sich auf den Intensivstationen gerade abspielt.

Als ich am Freitag in den Nachtdienst kam waren seit meinem Nachtdienst am Dienstag 3 von 10  PatientInnen verstorben. Drei standen wieder auf der Kippe. Wir haben sie über die Nacht gebracht und sind stolz auf unsere Arbeit. Aber ich weiß nicht, wer morgen noch leben wird, wenn ich wieder in den Dienst gehe.

 

In meinen ersten Tagen auf dieser Abteilung, habe ich einen 52 jährigen Mann betreut, der mir für diese kurze Zeit recht ans Herz gewachsen ist. Er hatte sehr viel Angst und oft Panikattacken. Ich konnte ihn recht gut beruhigen und Vertrauen aufbauen, was mich mit Stolz erfüllt hat. An meinem letzten Tag, von einer Reihe an Diensten konnte er den ganzen Tag fast nichts mehr essen. Am Abend hat  er mir gesagt, dass Äpfel immer sein Lieblingsobst waren und dass es so schön wäre, wenn er jetzt nur eine Apfel haben könnte. Wir hatten leider keinen Apfel auf der Abteilung und ich konnte ihn an diesem Tag keinen mehr organisieren. Ich habe ihm, als ich das nächte Mal in den Dienst gekommen bin, einen Apfel mitgebracht aber da war er schon intubiert. Er konnte den Apfel leider nicht mehr essen. Als ich am Samstag in der Früh aus dem Dienst gegangen bin, stand es leider sehr schlecht um ihn und ich fürchte, dass er morgen nicht mehr da sein wird. Das macht mich sehr traurig.

Ich bin weder besonders religiös noch bin ich fromm, aber ich bin gläubig. Das hilft mir gerade. Ich war heute morgen im Stephansdom bei der Messe, weil ich für diesen 52 jährigen Mann beten wollte, damit er friedlich hinübergehen kann, weil ich sonst nichts mehr für ihn tun kann. Als ich nur 5 Minuten in der Kirche gesessen bin, hatte ich das Gefühl, dass das gar nicht notwendig ist, denn Gott sorgt für ihn und hat ihm seine Angst längst genommen. Dann war mir nicht mehr so schwer ums Herz, traurig bin ich aber immer noch.

Diese Menschen die auf der Intensivstation oder auch auf anderen Covid Stationen, so abschottet von der Außenwelt - denn sie können zur Zeit nicht einmal ihre nächsten Angehörigen sehen - um das nackte überleben kämpfen, sind für mich wie Frontsoldaten in einem schrecklichen Krieg gegen das Virus. Sie kämpfen tapfer um jeden Atemzug, liegen stundenlang am Bauch, sind geduldig und machen jede Therapie mit so gut sie können, und versuchen ihre Angst zu überwinden.

Ihr Menschen da draußen, die ihr mit euren Masken spazieren geht, und von all dem, was sich im Krankenhaus abspielt, nichts mitbekommt: DANKE, dass ihr es tut und bitte macht es weiter, aus Respekt vor den Menschen die seit Wochen auf der Isolierstation liegen und so tapfer kämpfen und aus Respekt vor denen die so Tapfer gekämpft und verloren haben.

Ich habe den Eindruck, es wird gerade viel darüber gesprochen, wie anstrengend es für der Pflegepersonal und den ÄrztInnen ist, in der Schutzkleidung zu arbeiten. Keine Frage, das ist es wirklich, doch viel anstrengender ist es für mich mit dem Schmerz umzugehen, der mich jetzt trifft. Und ich bin zumindest freiwillig dort. Wenn ich nicht mehr kann, kann mich niemand zwingen weiter zu machen. Es geht um die Menschen die dort liegen! Für die haltet ihr euch an die Maßnahmen und dafür, dass es nicht noch mehr werden.

Seit fast 25 Jahren bin ich Krankenschwester und und habe viele Jahre auf einer Intensivstation gearbeitet, diese Arbeit war noch nie einfach, aber was sich jetzt gerade auf den Intensivstationen ereignet, das kann sich da draußen einfach niemand vorstellen. Ich muss es hier sagen, denn die Welt da draußen trennt von den Menschen da drinnen in ihren Intensivbetten nur eine Mauer. Es ist nicht irgendwo, in einem anderem Land, oder auf einem andern Kontinent, es ist nur eine Mauer dazwischen. Drinnen ist Krieg, draußen ist Frieden! Ich kann euch durchs Fenster sehen!

Danke dass ihr uns nicht vergesst!