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Dickmacher - die geheimen Verführer 2021.0

Die Manipulatoren sind hochprofessionell, wenn es darum geht Kauf- und Ess-Verhalten zu beeinflussen: Supermärkte und Restaurants sind längst zur Hochform aufgelaufen.

Als der US-Publizist Vance Packard 1957 Die geheimen Verführer (The Hidden Persuaders) veröffentlichte, in dem er den „Griff nach dem Unbewußten in jedermann“ durch Psychologen und Marktforscher am Beispiel der Werbeindustrie dokumentierte, war die Empörung groß. 65 Jahre später sind die Manipulatoren noch professioneller geworden, wenn es darum geht Kauf- und Ess-Verhalten zu beeinflussen: Supermärkte und Restaurants sind längst zur Hochform aufgelaufen. Und sogar wir selbst können zu Hause darauf achten, dass wir nicht in die Fressfallen laufen, die wir uns selbst bauen und die sich so nebenbei auftun.

Von Peter P. Hopfinger

Die Zahlen sind mehr als besorgniserregend: laut neuesten Statistiken von Eurostat sind mehr als die Hälfte der Europäer übergewichtig (Österreich: 52 Prozent), gleichzeitig landen vierzig (!) Prozent unseres Essens im Müll. Wie das zusammenpasst? Der 60jährige Verhaltenspsychologe Brian Wansink von der Cornell Universität im US-Bundesstaat New York hat drei Jahrzehnte geforscht und ist auf geheime psychologische Faktoren gekommen, die seiner Meinung nach bei der Entstehung von Übergewicht entscheidende Rollen spielen, aber noch immer unterschätzt werden. „Wir treffen pro Tag 250 Essensentscheidungen“, rechnet der Forscher im Magazin wdw vor: „Chips oder Salat, große oder kleine Portion, Teller auskratzen oder gleich wegräumen“, so Wansink, der weniger von Diättipps als von der Essensumgebung hält.

1. Risikozone zuhause

Umso lauter, desto schwerer

Egal ob Flugzeuge, Baustellen oder auch Verkehrslärm, je lauter desto dicker. Eine Studie des schwedischen Karolinska-Instituts bestätigte eine Taillenzunahme von 1,5 Zentimeter bei nur fünf Dezibel mehr Lärm. Zurückzuführen ist das auf eine stärkere Ausschüttung von Stresshormonen wegen des Lärms, insbesondere Cortisol.

Je weniger man selbst kocht, desto mehr Kilos

Menschen, die ihr Essen zu Hause zubereiten, nehmen weniger Kohlenhydrate, weniger Zucker und weniger Fett zu sich, als andere, die weniger oder gar nicht selbst kochen. Die Erkenntnis von Julia A. Wolfson von der John Hopkins Universität in Baltimore lässt sich auch durch eine Studie belegen: Personen, die höchstens einmal pro Woche kochen, nehmen im Tagesdurchschnitt 2301 Kalorien zu sich, Menschen, die mindestens sechsmal pro Woche den Kochlöffel schwingen, hingegen nur 2164 Kalorien pro Tag. In Summe ergibt der Unterschied für die Kochenden minus 1259 Kalorien pro Woche oder 65.458 Kalorien pro Jahr.

Je näher das Essen, umso größer die Gier

Eine entscheidende Rolle spielt die Erreichbarkeit der Nahrung. Umso näher die Leckereien stehen, desto schwieriger ist es, zu widerstehen. Experten raten dazu, das Essen vom Herd weg zu servieren, statt es direkt auf dem Tisch zu platzieren. Der Effekt ist deutlich und erstaunlich. Man nimmt 19 Prozent weniger zu, da das mehrmalige Aufstehen für einen Nachschlag uns daran hindert, gedankenlos weiter zu essen.

Große Teller machen großen Hunger

Die Größe des Geschirrs, aber auch des Bestecks spielt eine durchaus wichtige Rolle. Man isst beispielsweise bis zu 22 Prozent weniger, wenn der Teller nur 25 Zentimeter Durchmesser hat statt 30 Zentimeter, unabhängig von der Portion. Und wer zum Nachfüllen einen Esslöffel statt einen Schöpfer verwendet, reduziert die Nahrungsaufnahme noch einmal um 14 Prozent.

 
2. Riskanter Supermarkt – die volle Falle

Je langsamer wir sind, desto öfter kaufen wir

Dreh-Angeln und Schranken bremsen uns aus. Ohne es wahrzunehmen, gehen die meisten Menschen langsamer, werden zusätzlich durch gut beleuchtete Obst und Gemüsestände hinter dem Eingang gebremst. Dazu dudeln Evergreens aus versteckten Boxen und aus versteckten Düsen werden Aromen versprüht, die Marktsphäre verbreiten. Grund für diese Bremsen: je länger wir im Supermarkt sind, desto mehr kaufen wir ein.

Umso länger der Gang, desto häufiger kaufen wir

Lange Regalreihen, durch die Kunden auf dem Weg zur Kassa gehen müssen, verleiten zum Kauf von weitaus mehr Produkten, als man wollte. Die logische Folge: je mehr Lebensmittel man zu Hause hat, desto mehr isst man dann auch.

Produkte von unten sind meist günstiger

Produkte in Augenhöhe fallen schnell auf. Logisch, dass die Marktbetreiber ihre teuren Markenprodukte auf diese Höhe platzieren. Die echten Schnäppchen befinden sich unterhalb der 140-Zentimeter-Grenze. Hier finden sich – bei identischem Inhalt die wesentlich günstigeren Produkte. Den Blick zu senken kann daher diversen Studien zufolge viel Geld sparen.

 
3. Restaurants und Gasthäuser als Kalorienfalle

Im Dunkeln ist nicht nur gut munkeln

Je weiter Gäste von einer Tür bzw. Fensterfront entfernt sind, umso weniger ordern sie einen Salat ergaben Untersuchungen. Als Ausgleich dafür bestellen sie mit 73 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit einen hochkalorischen Nachtisch. Die Erklärung von Psychologen Brian Wansink: „Je dunkler es ist, desto unsichtbarer sind wir. Die Folge: man fühlt sich weniger schuldig, da ja niemand sieht, wieviel wir essen.“

Je näher am Buffet, desto dicker ist der Gast

Eigentlich logisch diese Studienergebnisse: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Übergewichtige einen Platz suchen, der möglichst nahe beim Buffet ist (am Besten in Sichtweite) ist dreimal so hoch, wie bei schlanken Gästen. Die setzen sich meist mit dem Rücken zum Essen an den Tisch.

Je breiter das Glas, desto mehr trinken wir

Auch das wurde gründlich untersucht: wer im Lokal ein eher breites statt schlankes hohes Glas bekommt, schenkt sich im Durchschnitt 19 Prozent mehr ein. Barkeeper toppen das mit 32 Prozent, wenn das Glas breit und flach ist. Der Grund: unser Hirn, das vertikale Linien im Vergleich zu horizontalen Linien länger wahrnimmt, lässt sich von der Form der Gläser täuschen.

Checkliste für richtiges Ernährungsverhalten

Welche versteckten Dickmacher lauern in Ihrem Zuhause und wo gibt es Optimierungsbedarf. Beantworten Sie diesen von Brian Wansink entwickelten Fragebogen mit Ja oder Nein. Wenn Sie mehr als sieben Fragen mit Ja beantworten können, sind Sie auf dem richtigen Weg.

  • Servieren Sie vor der Hauptmahlzeit Salat oder Gemüse?    
  • Ja      Nein
  • Platzieren Sie das Essen eher auf dem Herd oder der Arbeitsplatte anstatt auf dem Tisch?                                 
  • Ja      Nein
  • Beträgt der Durchmesser Ihrer Teller nicht mehr als 22 bis 25 Zentimeter?                                                     
  • Ja      Nein
  • Sitzen Sie beim Essen am Tisch ohne fernzusehen?            
  • Ja      Nein
  • Befinden sich nie mehr als zwei Dosen Limonade gleichzeitig in Ihrem Kühlschrank?                                    
  • Ja      Nein
  • Ist Ihre Küchenarbeitsfläche stets sauber und sind die Utensilien ordentlich angeordnet?                                    
  • Ja      Nein
  • Schneiden Sie im Voraus Obst- und Gemüsestückchen und legen sie gut sichtbar ins mittlere Kühlschrankfach?     
  • Ja      Nein
  • Haben Sie mindestens sechs Portionen proteinhaltiger Lebensmittel (Eier, Joghurt, Tofu etc.) im Kühlschrank?      
  • Ja      Nein
  • Liegen Ihre Süßigkeiten und Snacks in einem umständlich zu erreichenden Küchenschrank?                                      
  • Ja      Nein