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Diabetestherapie ein Knochenjob

Interdisziplinäre Leitlinie nimmt Wechselbeziehungen bei Diabetes und Osteoporose unter die Lupe

(Wien, 29. April 2019) – Zwei häufige Stoffwechselkrankheiten, die immer häufiger werden und oft beim einzelnen Patienten zusammentreffen, erfordern eine interdisziplinäre Betrachtung über den Tellerrand des einzelnen Faches hinaus. Deshalb haben die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und die Österreichischen Gesellschaft für Knochen- und Mineralstoffwechsel (ÖGKM) eine gemeinsame Leitlinie zur Diagnose und dem Management der Osteoporose bei Diabetes mellitus erstellt.

„Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und Osteoporose (Knochenschwund) zählen zu den häufigsten Erkrankungen unserer Gesellschaft und nehmen durch die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung auch kontinuierlich zu“, warnt die Endokrinologin und Gendermedizinerin, Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer. Die Präsidentin der ÖDG erklärt: „Das komplexe Zusammenspiel zwischen Zucker-, Fett- und Knochenstoffwechsel hat in der wissenschaftlichen Community sogar zu einem neuen Begriff geführt: der Diabetoporose.“

Diabetes kommt vor dem Fall

Der Osteoporose-Spezialist, Priv.-Doz. Dr. Christian Muschitz, vom Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien, ist Vorstandsmitglied der ÖGKM und erläutert: „Patienten mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für Fragilitätsfrakturen. Das sind Knochenbrüche, die aufgrund eines inadäquaten Traumas zustande kommen. Der Begriff inadäquates Trauma, beschreibt eine Verletzung, die bei einem gesunden Knochen zu keinem Bruch geführt hätte“.

Langzeitfolgen des Diabetes erhöhen Sturzgefahr

Die Ursachen für diese erhöhte Neigung zu Knochenbrüchen sind nur teilweise bekannt. Neben Veränderungen im Knochenaufbau, werden auch diabetestypische Komplikationen durch den jahrelang erhöhten Blutzucker angenommen, die das Sturzrisiko erhöhen. Dazu zählen unter anderen die diabetische Retinopathie, die mit einer Verschlechterung des Sehvermögens einhergeht, sowie die diabetische Neuropathie (=Nervenschädigung), die durch Störungen in der Wahrnehmung und Gangunsicherheit ebenfalls Stürze begünstigt.

Sturzursache Unterzuckerung

„Auch die Unterzuckerung, der sogenannte Hypo, als Folge der Insulintherapie kann zu einer erhöhten Sturzneigung führen, weswegen Diabetesspezialisten schon seit Jahren davor warnen, insbesondere ältere Patienten nicht zu scharf einzustellen“, betont Kautzky-Willer. „Zahlreiche klassische Symptome der Hypoglykämie, wie Gleichgewichtsstörungen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Zittern, Unruhe, weiche Knie (Muskelschwäche), Sehstörungen und Bewusstlosigkeit können – jedes für sich – der Auslöser eines Sturzes sein. Insgesamt sollten bei allen, aber besonders bei älteren Menschen, Diabetesmedikamente gewählt werden, die mit keinem erhöhten Risiko für Unterzuckerungen einhergehen“.

Diabetes und BMI senkt die Aussagekraft des BMD

Bei der Diagnose der Osteoporose ist eine bestehende Diabetes Diagnose bereits mitzudenken, damit das individuelle Frakturrisiko nicht unterschätzt wird. Aufgrund der meist vorherrschenden Adipositas bei Diabetes mellitus Typ 2 sowie aufgrund des Diabetes selbst, weisen die Knochen zwar eine höhere Knochendichte (BMD) auf, aber die Qualität des Knochens und seine Mikroarchitektur sind schlechter als bei Menschen ohne Diabetes. Zur Bestimmung des Frakturrisikos sind deshalb spezielle Risikorechner (z.B. FRAX Score) und eine zusätzliche Auswertung bei der üblichen Knochendichtemessung (Knochenbälkchen-Score) wesentlich.

Diabetestherapie muss Osteoporose berücksichtigen

Die Therapie der Osteoporose unterscheidet sich nicht zwischen Diabetikern und Nicht-Diabetikern. Aber die Wahl des Diabetes-Medikaments ist bei Patienten mit Osteoporose anders zu beurteilen. So wird eine Substanzgruppe mit einem erhöhten Frakturrisiko in Zusammenhang gebracht, während andere keinen oder eventuell sogar einen positiven Einfluss auf die Knochengesundheit haben. Pioglitazon sollte besonders bei Frauen nach der Menopause vermieden werden, ebenso wurde bei Canagliflozin ein höheres Frakturrisiko beschrieben.

Knochen schützen mit Vitamin D, Kalzium und einem gesünderen Lebensstil

„Was ergänzend zur Therapie von jeder Patientin/jedem Patienten eingenommen werden sollte, sind Vitamin D und Kalzium, wobei letzteres vor allem Bestandteil einer ausgewogenen, gesunden Ernährung sein sollte“, empfiehlt Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Yvonne Winhofer-Stöckl, von der MedUni Wien und Vorstandsmitglied der ÖDG. „Auch ein gesunder Lebensstil kann den Knochen gesund halten. Dazu zählen moderate Gewichtsreduktion, eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung, die sich auch positiv auf eine Diabeteserkrankung und die Balance auswirken“.