Diabetespolitik mit Strategie und Programm
Regierung muss die größte gesundheitspolitische Herausforderung im Fokus haben
Das neue Präsidium der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) gratuliert der neuen Bundesregierung und speziell dem neuen Gesundheitsminister zur Angelobung und freut sich auf einen intensiven gesundheitspolitischen Austausch, weist aber kritisch darauf hin, dass Diabetes nicht explizit im Regierungsprogramm vorkommt.
Mit Anfang Jänner 2020 übernahm ein neues Team die Leitung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Diabetes-ExpertInnen: Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Susanne Kaser von der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck ist die neue Präsidentin der ÖDG und Assoz. Prof. Priv.-Doz Dr. Harald Sourij von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Medizinischen Universität Graz übernimmt die Funktion als Erster Sekretär der ÖDG.
Die größte gesundheitspolitische Herausforderung
In ihrem ersten öffentlichen Statement wendet sich die Präsidentin an die ebenfalls neue Bundesregierung. Kaser gratuliert der neuen Regierung zur Angelobung und betont: „Die größte gesundheitspolitische Herausforderung der nächsten Jahre liegt darin, eine flächendeckende, hochqualitative, multidisziplinäre und multiprofessionelle Versorgung aller Menschen mit Diabetes zu gewährleisten.“
Sourij führt aus: „Seit Jahren warnen die ExpertInnen und Experten der ÖDG vor dem Diabetes Tsunami der Österreich überrollt und das Gesundheitssystem auf eine harte Probe stellt. Rund 800.000 Menschen mit Diabetes leben in Österreich. Jede Familie ist betroffen. Jeder kennt in seinem nahen privaten Umfeld Menschen mit Diabetes, deren Versorgung, Lebensqualität und Lebenserwartung von den nächsten gesundheitspolitischen Entscheidungen abhängt.“
Diabetes nicht explizit im Regierungsprogramm
„Während die Anzahl an Menschen mit Diabetes weiterhin stark steigt und die Behandlungskomplexität durch die Personalisierung der Diabetestherapie deutlich zunimmt und neue Technologien in den Behandlungsalltag implementiert werden müssen, haben sich die dazu zur Verfügung stehenden Ressourcen im Gesundheitswesen in den letzten Jahren nicht verbessert. Im Regierungsprogramm fehlt uns eine deutliche Benennung oder Festlegung zu diesem drängenden gesundheitspolitischen Thema. Es ist an der Zeit heute die Versorgungsstrukturen für die nächsten Jahrzehnte zu planen und umzusetzen.“
ÖDG pocht auf die Umsetzung der Diabetesstrategie
Kaser appelliert „Wir müssen noch immer auf die österreichische Diabetes Strategie aufmerksam machen. Sie wurde bereits 2017 verabschiedet, wartet aber seitdem auf ihre Umsetzung. In dieser sind von ExpertInnen und Betroffenen alle Forderungen an ein modernes Diabetes Management von der Prävention bis zur Rehabilitation eingeflossen und es ist dringend an der Zeit, diese Strategie zum Wohle aller Menschen in Österreich mit Leben zu erfüllen.“
Gesundheitspolitische Forderungen der ÖDG
Neben der Umsetzung der Diabetesstrategie stehen für Kaser einige spezielle Ziele ganz oben auf der Agenda der Österreichischen Diabetes Gesellschaft: „Besonders dringlich ist die Forderung für bessere Maßnahmen zur Prävention und Früherkennung. Bei der flächendeckenden, hochqualitativen Versorgung von Menschen mit Diabetes ist die Ausweitung des Disease Management Programms Therapie aktiv von besonderer Bedeutung und es freut uns, dass Disease Management Programme auch im neuen Regierungsprogramm betont werden. Wichtig ist auch die Implementierung von verschiedenen Versorgungsebenen in Abhängigkeit von Komplexität der Therapie und vorliegenden Begleiterkrankungen sowie die Sicherstellung von evidenzbasierter Fort- und Weiterbildung aller Diabetes-behandelnden ÄrztInnen. Ein weiteres Anliegen der ÖDG ist, die Komplexität der Erkrankung öffentlich richtig darzustellen, um die Stigmatisierung von Menschen mit Diabetes zu beenden.“
Warum Diabetes so ein wichtiges Thema für die Politik ist
Diabetes ist die häufigste Ursache für nicht-traumatische Amputationen. Jeder dritte Mensch mit Diabetes entwickelt Veränderungen der Netzhaut mit Gefahr der Erblindung. Diabetes ist auch die häufigste Ursache für Nierenersatztherapie. Diabetes bringt ein zweifach erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz mit sich und 60 Prozent aller Menschen mit Koronarer Herzerkrankung haben als Grunderkrankung einen Diabetes.
Sourij ergänzt: „Diese Zahlen sind von enormer Wichtigkeit, weil Diabetes – ganz abgesehen vom damit verbundenen individuellen Leid – erhebliche Gesundheitskosten verursacht. Umgekehrt zeigt die Studienlage ganz klar, dass sehr viele dieser Folgeerkrankungen vermieden werden können, wenn wir eine gesunde Lebensführung forcieren und alle Risikofaktoren (allen voran Blutzucker, Blutdruck und Blutfette) entsprechend den aktuellen Behandlungsleitlinien behandeln. Das setzt voraus, dass wir Diabetes frühzeitig erkennen und kontinuierlich, dem Verlauf dieser chronischen Erkrankung angepasst, behandeln und betreuen.“
Abschließend unterstreicht die ÖDG Präsidentin die Dialogbereitschaft der ÖDG: „Wir möchten dazu beitragen, eine Leitlinienkonforme und damit optimale Therapie für unsere Patientinnen und Patienten zu ermöglichen und freuen uns auf einen intensiven gesundheitspolitischen Austausch mit dem neuen Gesundheitsminister zu dem wir ihn gerne und bald einladen. Als Österreichische Diabetes Gesellschaft werden wir in den nächsten Jahren unsere Lösungsansätze in die gesundheitspolitische Diskussion einbringen und auf die Umsetzung der Diabetesstrategie 2017 pochen.“