Diabetes: Lückengebiss mit erhöhtem HbA1c-Wert assoziiert
Diabeteserkrankte, die aufgrund von Zahnproblemen nicht in der Lage waren, richtig zu kauen, hatten in einer türkisch-US-amerikanischen Studie im Mittel deutlich schlechtere HbA1c-Werte als Teilnehmende mit guter Kaufunktion.
(Istanbul, 31.7.2023) - Bei Patienten und Patientinnen mit Typ-2-Diabetes ist es offenbar besonders wichtig, darauf zu achten, dass die Kaufunktion erhalten bleibt. Das geht aus einer Studie hervor (PLoS One 2023; online 14. April), in der die HbA1c-Werte von Teilnehmenden mit bzw. ohne Kauprobleme verglichen wurden.
Eichner-Index als Maß für Kaufunktion
An der retrospektiven Studie waren 94 Probanden und Probandinnen zwischen 30 und 75 Jahren (median 55 Jahre) mit einem mindestens seit einem Jahr bestehenden, medikamentös behandelten Typ-2-Diabetes beteiligt. Die Kaufunktion wurde mit dem Eichner-Index bestimmt. Je nach Gebisssituation der Prämolaren und Molaren wurden die Teilnehmenden in drei Gruppen eingeteilt:
- Gruppe A (Kontrollgruppe): antagonistischer Kontakt zwischen Zähnen des Ober- und Unterkiefers in allen Stützzonen erhalten (inklusive festsitzende Krone oder Brücke),
- Gruppe B: antagonistischer Kontakt nicht in allen Stützzonen und
- Gruppe C: kein antagonistischer Kontakt.
Lückengebiss mit höherem HbA1c assoziiert
Die Gruppen B und C mit eingeschränkter Okklusion (insgesamt 53 Teilnehmende), wurden als „Testgruppen“ zusammengefasst. In der Studie schnitten diese gegenüber der Kontrollgruppe (n = 41) signifikant schlechter ab, mit einem HbA1c von median 9,42 gegenüber 7,48.
Die Studienautoren weisen darauf hin, dass sich die Vergleichsgruppen zum Ausgangszeitpunkt hinsichtlich Medikamentenkombinationen (orale Antidiabetika mit oder ohne Insulin), BMI, Dauer der Diabeteserkrankung, WBC und Kreatinin nicht maßgeblich unterschieden hatten.
Das Team berichtet von einer Teilnehmerin aus Gruppe B, bei der das Gebiss nachträglich mithilfe von Implantaten saniert wurde. Daraufhin habe sich der HbA1c-Wert innerhalb von vier Monaten von 9,1 auf 7,8 verbessert. Nach insgesamt 18 Monaten habe die Patientin einen Wert von 6,2 erreicht.
Wer schlecht kaut, ernährt sich ungesünder
Den Beobachtungen könnten mehrere Mechanismen zugrunde liegen: Zum einen, so die Forscher, sei es naheliegend, dass Menschen mit eingeschränktem Kauvermögen zu einer Ernährung mit geringem Gehalt an Ballaststoffen und geringem Nährwert wechseln. Dies wiederum begünstige vor allem die Aufnahme kalorienreicher Nahrung.
Ein anderer Wirkmechanismus könnten Signale propriozeptiver Neuronen sein, die beim Kauen vom M. masseter bzw. vom parodontalen Ligament an das Sättigungszentrum im Hypothalamus gesendet werden. Bei Menschen, denen Backenzähne fehlen, komme es zu einer Reduktion dieser Signale, was in einer verminderten Aktivität des Sättigungszentrums resultieren könne, so Yeter E. Bayram vom Hamidiye Sisli Etfal Education and Research Hospital in Istanbul und Mehmet A. Eskan von der Universität Buffalo im US-Staat New York. In Studien habe man zeigen können, dass bei Personen mit einer Fehlstellung von Kiefern und Zähnen die Masseterfunktion und auch die Produktion von signalvermittelnden Integrinen deutlich reduziert waren. Die Folge sei möglicherweise, dass die Betroffenen umso mehr Nahrung aufnehmen, um satt zu werden.
Das Fazit der beiden Forscher: Es gebe zahlreiche Studien, die den Einfluss der Kaufunktion auf die systemische Gesundheit belegen. Die vorliegende Untersuchung habe diesen Zusammenhang noch einmal bestätigt.
Quelle: https://www.aerztezeitung.de/