Diabetes: Anpassung der Dauermedikation bei akuter Erkrankung
Für den Fall, dass Patienten mit Diabetes mellitus, Nieren- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen akut erkranken, sollten sie eine Anleitung zum Absetzen, Anpassen und Wiederaufnehmen von Medikamenten während und nach den Krankheitstagen erhalten. Ein internationales Gremium hat sich darüber Gedanken gemacht.
(Edmonton, 21.2.2023) - Erkranken Patientinnen und Patienten mit chronischen Leiden akut, ist die Gefahr groß, dass sie mit Hypotonie, akuter Nierenschädigung oder Hypoglykämie ins Krankenhaus eingeliefert werden. Würden die Erkrankten vorab mit einem Plan für das Management für diese Krankheitstage versorgt werden, könnten Einweisungen verhindert werden.
Mehrere Organisationen haben Empfehlungen für die Medikamenteneinnahme im Krankheitsfall (Sick Day Medication Guidance, SDMG) ausgesprochen, um potenziellen Komplikationen vorzubeugen (Am J Kidney Dis 2022; online 3. Dezember).
SDMG beinhaltet in der Regel Empfehlungen für das Absetzen oder die Anpassung bestimmter Medikamente im Rahmen einer akuten dehydrierenden Erkrankung, die zu Komplikationen wie diabetischer Ketoazidose, Hypoglykämie oder akuter Nierenschädigung führen könnte.
Um einheitliche Empfehlungen abgeben zu können, haben sich nun viele Spezialistinnen und Spezialisten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten – und auch von Patientenorganisationen – zusammengetan.
Das finale Gremium setzte sich aus 26 Expertinnen und Experten aus vier Ländern und zehn klinischen Fachrichtungen zusammen, angeführt von Kaitlyn Watson von der University of Alberta, Kanada. Die Gruppe entwickelte ihre Empfehlungen nach der Delphi-Methode, einem systematischen, mehrstufigen Befragungsverfahren mit Rückkopplung. Sie einigten sich auf insgesamt 42 Empfehlungen.
Anzeichen für einen Volumenmangel
Es wurden fünf Symptome festgelegt, die mit einem Volumenmangel einhergehen und SDMG auslösen sollten. Für folgende Anzeichen sollten die Patientinnen und Patienten sensibilisiert werden:
- Erbrechen oder Durchfall (die zu erheblichem Flüssigkeitsverlust führen),
- Appetitlosigkeit oder Übelkeit (mit erheblicher Abnahme der Flüssigkeitsaufnahme),
- neu aufgetretene Benommenheit, Schwindel oder Ohnmacht (insbesondere beim Aufsitzen oder Aufstehen),
- Gewichtsabnahme (3 kg in zwei Tagen) und
- verminderte Urinausscheidung.
Folgende Symptome sollten als so schwerwiegend angesehen werden, dass die Erkrankten einen Arzt/eine Ärztin aufsuchen sollten:
- verminderte Bewusstseinslage oder neu aufgetretene Verwirrung,
- Erbrechen mehr als viermal in zwölf Stunden oder keine Flüssigkeitsaufnahme,
- niedriger Blutdruck (systolischer Blutdruck < 80 mmHg; Abfall des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg oder des diastolischen Blutdrucks um 10 mmHg),
- mäßige oder hohe Ketonwerte (bei Patienten, die SGLT2-Inhibitoren oder Insulin einnehmen),
- erhöhte Herzfrequenz (Anstieg um 30 Schläge pro Minute) oder
- Fieber (Temperatur > 38 °C bei zwei Messungen)
Strategien für das Selbstmanagement der Patienten
Eine Anleitung im Falle einer akuten Erkrankung sollte laut den Experten um Watson die folgenden Anweisungen enthalten, um die Dehydrierung umzukehren und Hypoglykämie oder Ketoazidose zu vermeiden:
- Patienten, die Insulin verabreicht bekommen, sollten häufigere Selbstkontrollen des Blutzuckerspiegels alle vier bis sechs Stunden im Wachzustand und für die Dauer der Symptome durchführen.
- Bei Erkrankten, die SGLT2-Inhibitoren, Insulin oder eine ketogene Diät erhalten, rät das Gremium, die Ketone zu kontrollieren und eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr mit begrenztem Koffeingehalt sowie Elektrolytersatzlösungen in Betracht zu ziehen.
- Patienten, die ihre tägliche Dosis an oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe) eingenommen haben, sollten angewiesen werden, Essen zu sich zu nehmen, um eine Unterzuckerung zu vermeiden, bis die Wirkung des Medikaments abgeklungen ist (circa zwölf bis 24 Stunden).
Anpassung der Medikation
Folgende Medikamente sollten den Experten zufolge temporär abgesetzt werden: SGLT2-Inhibitoren (z. B. Empagliflozin) und Metformin, Anpassung des Insulins in Abhängigkeit von Blutzucker und Ketonen sowie Absetzen von Sulfonylharnstoff (und Meglitinid- gibt es in Deutschland nicht) nur bei niedrigem Blutzucker und bis zu dessen Erholung.
Das Gremium stimmte der Empfehlung zu, ACE-Inhibitoren/Angiotensin-II-Rezeptorblocker, Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Diuretika (Schleifendiuretika, Thiazide und kaliumsparende Diuretika), direkte Renininhibitoren (Aliskiren) und nicht steroidale Antirheumatika (NSAID) vorübergehend abzusetzen.
Wenn der Blutzucker stärker als üblich erhöht ist, sollten um zehn bis 20 Prozent erhöhte Basal- und Bolusinsulindosen erfolgen. Falls die Senkung des Blutzuckerspiegels jedoch nicht gelingen sollte, muss ein Arzt kontaktiert werden.
Laut den Autoren um Watson sind jedoch weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die besten Umsetzungsstrategien zu entwickeln, die die Übernahme dieser Empfehlungen im Rahmen der klinischen Versorgung und des Selbstmanagements der Patienten bestätigen.
Quelle: https://www.aerztezeitung.de/