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Der Diabetes nervt – und wie!

Ein Editorial von Peter P. Hopfinger

Von Peter P. Hopfinger

Es gibt wohl kaum einen Menschen, der an Diabetes erkrankt ist, der diesem Titel nicht zustimmen wird. Und obwohl es eine sogenannte Binsenweisheit ist, gehört es doch von Zeit zu Zeit thematisiert. Besonders dann, wenn ein wirklicher Meilenstein wie 100 Jahre Insulin als Jubiläum vor der Türe stehen.

Denn vor der bahnbrechenden Entdeckung von Banting und Co. blieb Typ-2-Diabetikern nichts Anderes übrig, als in Würde zu sterben.

Seit es aber Insulin gibt und noch mehr seit es Messmethoden für den Zuckerwert gibt, sind wir Erkrankten in der Verantwortung. In der Eigen-Verantwortung.

Das kann unglaublich nerven. Denn einerseits sollen wir uns in Schulungen informieren lassen und das Gelernte auch behalten. Und andererseits müssen wir alle völlig neue Verhaltensmuster in unser ganz persönliches Leben integrieren.

Als ehrgeiziger Patient, der ich immer war und bis heute bin, erlaube ich dem Diabetes bis heute erfolgreich nicht, Folgeerkrankungen zu entwickeln, weder bei den Augen, noch bei den Nerven oder gar bei der Sexualität. Bei mir persönlich sind das viele verschiedene Schritte:

Ich wechsle zumindest einmal täglich die beiden Pennadeln für schnelles und langsames Insulin und spritze es natürlich auch insgesamt bis zu acht Mal, ich futtere zwei Mal täglich bis zu vier verschiedene Medikamente, die den Bluthochdruck, die Blutfette und letztlich auch den Blutzucker beeinflussen.

All das hat neue Verhaltensmuster zur Folge, die jeden neu diagnostizierten Patienten – egal ob Typ 1 oder Typ 2 und auch/oder besonders Schwangerschafts-Diabetikerinnen enorm herausfordern.

Frauen, die schwanger sind, haben es da – aus meiner Sicht – etwa einfacher. Der plausible Grund: sie würden meist alles für ein gesundes Baby tun.

Schwieriger ist es für Typ-1-Patieten: sie müssen ihr Leben ab der Diagnose radikal verändern und anpassen. Und glauben Sie mir: das nervt – insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene oder Eltern und deren Kinder.

Am Schwierigsten scheint mir das Problem bei der großen Mehrheit der Typ-2-Patienten.

Warum? Diabetes hat bei diesen Patienten eine durchschnittliche Vorlaufzeit von sieben (!) Jahren, in denen die Zuckerwerte bereits zu hoch sind, der Patient aber noch keine Beschwerden hat. Der hohe Blutzuckerwert, eventuell gepaart mit hohem Cholesterin und anderen Erkenntnissen wie dem HDL/LDL-Verhältnis sind tatsächlich lebensgefährlich.

Warum sollen diese Personen ihr erlebtes, erlernten Verhalten verändern? Es tut ja nix weh. Ähnlich wie beim Blutdruck, der ja oft ein tödlicher Bruder des Diabetes ist.

Aber deshalb das Leben ändern?

Es ist nicht einfach. Vieles in unserem Verhalten hat sich über mehrere Jahrzehnte manifestiert und man ist fest der Meinung: das muss so sein, das war nie anders.

Und jetzt auf einmal: neue Verhaltensweisen gefragt und gefordert. Bei mir läuft das im Detail so ab:

Die Libre-App sagt mir, dass ich täglich im Durchschnitt 22 Mal meinen Zuckerwert scanne. Das ergibt dann auch einen ganz gut geschätzten HbA1c von 6,3 Prozent und durchschnittlich 85 % Zeit im Ziel.

Das freut mich. Keine Frage. Trotzdem nervt es mich täglich. Obwohl ich nach 26 Jahren aus meiner Sicht ein hervorragendes Outcome habe.

Können Sie mich verstehen?

 

Über Zuschriften und Antworten freue ich mich unter hopfinger(at)diabetes-austria.com

Liebe Grüße

Peter P. Hopfinger
Herausgeber und Chefredakteur

www.diabetes-austria.com

Initiative Soforthilfe für Menschen mit Diabetes