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Der Besuch einer Blutdruckschulung kann das Leben verlängern

„Der ideale Langzeitwert Hba1c eines Diabetikers liegt unter 7.“ Dieser unumstößliche Satz stand am Anfang der ersten Schulung und hallte im Seminar-Raum des Krankenhauses wie ein Gebot durch eine Kirche. Und man hörte auch die Botschaft: Wenn Du brav bist und das erreichst, dann wirst Du keine Probleme mit Spätfolgen haben, die da schrecklicher nicht sein könnten: Netzhautablösung, die zur Blindheit führen kann, Nierenversagen, Herzversagen, diabetischer Fuß oder Impotenz.

Der Besuch einer Blutdruckschulung kann das Leben verlängern 

Von Peter Illetschko

„Der ideale Langzeitwert Hba1c eines Diabetikers liegt unter 7.“ Dieser unumstößliche Satz stand am Anfang der ersten Schulung und hallte im Seminar-Raum des Krankenhauses wie ein Gebot durch eine Kirche. Und man hörte auch die Botschaft: Wenn Du brav bist und das erreichst, dann wirst Du keine Probleme mit Spätfolgen haben, die da schrecklicher nicht sein könnten: Netzhautablösung, die zur Blindheit führen kann, Nierenversagen, Herzversagen, diabetischer Fuß oder Impotenz.

Dass diese erste Diabetes-Predigt differenziert betrachtet werden muss, erfährt man erst im Laufe der Jahre. Heute weiß der Zuckerkranke: Unter sieben ist nur dann gut, wenn man den „schönen Hba1c“ nicht mit vielen schweren Hypos „erkauft“, weil auch extreme Zuckerschwankungen die Entstehung von Folgeerkrankungen begünstigen können. So weit, so gut. Die Definition dessen, was schwere Hypos sind, kann aber unterschiedlicher nicht sein. Manche Ärzte sagen: Alles, was unter 80 mg/dl ist, ist ganz schlecht. Andere sagen: „Ein schwere Hypo ist mit körperlichen Begleiterscheinungen verbunden: Schwitzen, Zittern, Ohnmacht. Nur dann kann es längerfristige Auswirkungen haben.“

Wenn der Diabetiker also weder zu hohe, noch zu niedrige Wert hat, sollte er also davon ausgehen, dass er nach zehn Jahren noch keine Folgeerkrankungen hat. Warum stellten dann Ärzte bei Franz K., 43 jähriger Postangesteller, beginnende Rethinopathie fest, eine Erkrankung der Augennetzhaut? Der freundliche Augenarzt meinte: „Achten Sie auch auf Ihren Blutdruck. Das kann die Entstehung von Rethinopathie fördern.“ Seither achtet er darauf. Die Werte waren an der Grenze. 140/85 – Das muss man kontrollieren, sagten die Ärzte. Weil man ja eigentlich als Diabetiker ein wenig unter den Werten von Gesunden liegen sollte. Muss man, tat man auch.

Ein Jahr später besuchte Franz die Ordination der bekannten Wiener Diabetologin Kinga Howorka, Erfinderin der FIT-Therapie, weil sie für Diabetiker eine Bluthochdruckschulung angeboten hatte. Der Blutdruck: 150/95. Alarm. Viel zu hoch, rief die Ärztin. Und erklärt dem Patienten, wie sehr der Blutdruck auf die Gefäße des Zuckerkranken wirkt und warum es wichtig ist, den Wert runter zu drücken. Hat er denn nie gehört, dass man da achtgeben sollte? Er hat, konsequent verfolgt wurde dieser Ansatz freilich nie.

Szenenwechsel: Kinga Howorka geht im Hörsaal des AKH auf und ab und doziert, warum der Blutdruck zu senken ist. Die Blutgefäße seien durch den Zucker ohnehin beansprucht. Nicht 140/80 sei hier ein Normalwert, wenn auch an der oberen Grenze, sondern 120/80. Besser darunter. Sie stellt Fragen. Patienten antworten. In den hinteren Reihen sitzen auch Ihre Studenten, die ebenfalls Ihren Ausführungen folgen – um Material für das Studium zu bekommen. Einer fragt: „Kann sie das Problem so erklären, dass Patienten und Studenten gleichermaßen profitieren?“ Sie kann.

Gebetsmühlenartig wiederholt sie, warum es wichtig ist, den Blutdruck zu senken. Dass dadurch Gefäße überall im Organismus profitieren. Und fordert die Teilnehmer auf, mehr Bewegung zu machen. Täglich. Auch das würde den Blutdruck senken. Schließlich verschreibt sie Medikamente und erklärt deren Wirkungsweise. Nicht jedes ist für jeden geeignet.

Howorka anonymisiert die Krankengeschichte einzelner Patienten und erklärt anhand dieser Beispiele die Gründe für ihr Blutdruck-runter-Gebot. Am Lächeln der Betroffenen bemerkt man, wer gemeint war. Die Ärztin zitiert aus einigen Studien, deren Ergebnisse die Bedeutung eines konsequenten Blutdruckmanagements untermauen.

Franz nimmt nun 10 mg eines ACE Hemmers. Sein Blutdruck liegt seither etwa bei einem Wert von 110/75. Gut so. Ist dadurch gewährleistet, dass er die Retinopathie stoppen konnte. „Nein“, meint Howorka. Aber die Chance dafür ist weit größer als mit hohem Blutdruck. Und aufgegeben wird nur ein Brief.

www.diabetesfit.org