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COVID und Diabetes – ein potentiell tödliches Duo

Hoher Blutzucker, Vitamin-D-Mangel und Fettleibigkeit erhöhen das Risiko

Von Peter P. Hopfinger

Wenn ein Mensch positiv auf das Corona-Virus getestet wird, springt die Ampel auf Rot. Wird jedoch ein Mensch, der bereits an Diabetes erkrankt ist, positiv getestet, ist Feuer am Dach. Vor allem ältere Patienten, die schon Folgeerkrankungen haben, sind extrem gefährdet. Zwei österreichische Experten haben internationale Studien analysiert und eine heimische initiiert. Die ersten Ergebnisse liegen nun vor.

Fall 1: Österreichs erster Toter, der im März an den Folgen der COVID-Infektion verstorben ist, war ein betagter Typ-2-Patient mit zahlreichen weiteren Erkrankungen, darunter Herzinsuffizienz und Bluthochdruck.

Fall 2: Oscar-Preisträger Tom Hanks ist seit Jahren mit Typ-2 diagnostiert. Er und seine Frau Rita Wilson gehörten Anfang März zu den ersten prominenten Virus-Patienten, überstanden die Erkrankung aber ohne größere Probleme.

Fall 3: Die 24jährige Typ-1-Patientin Anja R. aus Deutschland infizierte sich mit dem Virus und postete den Verlauf sowie ihre Genesung in Diabetes-Foren im Internet.

Fall 4: Ein 84jähriger immer noch sportlicher Österreicher mit Typ-2-Diabetes, bestens eingestellt und ohne Folgeerkrankungen, wurde nach seiner Infektion mit dem Virus ins Spital eingeliefert und verstarb dort innerhalb von wenigen Tagen.

Die Beziehung zwischen der Zuckerkrankheit und dem Corona-Virus sind komplex. Einerseits gehören vor allem ältere Patienten mit Folgeerkrankungen zur Hochrisikogruppe, andererseits kann die Infektion mit dem Virus sogar dann zu erhöhten Zuckerwerten führen, wenn die Patienten noch gar nicht als Diabetiker diagnostiziert sind.

Grund genug für Wissenschaftler in aller Welt, die Phänomene rund um diese Kombination intensiv zu beforschen. Vor allem auch deshalb, weil man möglichst schnell einen Standard für die Behandlung von Corona-Infizierten mit Diabetes finden will.

Die aktuellsten Zahlen aus Österreich hat Prof. Harald Sourij von der Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der MedUni Graz erhoben.

„Wir haben in das 1. Österreichische Covid-Diabetes-Register, in neun Zentren in sechs Bundesländern, die PatientInnen mit COVID-19 und Diabetes behandelt haben, initiiert. Insgesamt haben wir nun Daten zu 247 Menschen mit Diabetes gesammelt, fast nur Personen, die auch im Krankenhaus aufgenommen wurden (238) und es waren natürlich primär Personen mit Typ 2 Diabetes.“ Und Sourij weiter: „In dieser Gruppe, die im Durchschnitt über 70 Jahre alt waren, haben wir eine sehr hohe Rate an Aufnahmen auf der Intensivstation gesehen (ca. 25 Prozent) und auch ca. ein Viertel ist leider verstorben.“

Dabei stellt nicht nur die Zuckerkrankheit an sich, sondern Begleiterkrankungen – etwa Adipositas, Herzschwäche, Schlaganfälle oder Lebererkrankungen - ein deutliches Risiko für die Sterblichkeit dar. Und insgesamt spielt eben auch das Alter eine Rolle.

Faktor 1: Das Enzym ACE 2

Ein Faktor ist das Enzym ACE 2 (Angiotensin Coverting Enzyme), an ihm dockt das Covid 19-Virus an. Dabei tut sich der Winzling umso leichter, je höher der Blutzucker ist. Wikipedia notiert: ACE2 spielt eine wichtige Rolle im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), das den Volumenhaushalt des menschlichen Körpers steuert und den Blutdruck reguliert. PCR-Analysen ergeben, dass ACE2 im Herzen, sowie in der Lunge, Niere, im Endothel und im Magen-Darm-Trakt vorhanden ist. Außerdem ist ACE2 ein Rezeptor für verschiedene Coronaviren, einschließlich SARS-CoV und SARS-CoV-2, um in Zellen zu gelangen.

Faktor 2: Fettleibigkeit

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Fettleibigkeit (Adipositas): je dicker der Mensch, desto rascher entsteht ein Teufelskreis. Das Körperfett nährt Entzündungen vorzüglich. Problematisch: die Adipositas lässt viele kleine Entzündungen in Blutgefässen, Fettgewebe und sogar im Hirn entstehen. Ausserdem verursacht die Fettleibigkeit auch, dass das (körpereigene) Insulin nicht mehr so wirkt, wie es soll. Der Zucker steigt und das Virus freut sich.

Deshalb werden viele Patienten, die mit den Diagnosen Corona UND Diabetes in Spitälern aufgenommen wurden, sofort auf eine Insulinfusion umgestellt und rund um die Uhr beobachtet und kontrolliert. Denn noch schwieriger wird es für die Mediziner, wenn sie beispielsweise wegen einer Lungenentzündung Cortison verordnen müssen, weil dieser Wirkstoff die Wirkung von Insulin weiter absenkt.

Faktor 3: Wie hoch ist der Vitamin D-Level

Ein weiterer wichtiger Indikator ist der Vitamin-D-Spiegel der Patienten. Hans-Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim in Stuttgart hat 30 Studien ausgewertet – und ein Vitamin-D-Defizit als möglichen Indikator für den Schweregrad und die Mortalität bei einer Covid-19-Erkrankung identifiziert.

Denn dieses Vitamin reguliert das Immunsystem und Entzündungsprozesse im Körper. Der Experte empfiehlt daher, im Falle einer Covid-19-Erkrankung unbedingt den Vitamin-D-Spiegel im Auge zu behalten.

Das gelte vor allem für Menschen über 65 Jahre oder Personen, die selten im Freien sind. "Die wichtigste Vitamin-D-Quelle ist die Bildung in der Haut durch das Sonnenlicht", so der Experte, "und im Alter funktioniert das nur noch eingeschränkt."

Vitamin D reguliert unter anderem im Körper das Immunsystem und das sogenannte Renin-Angiotensin-System (RAS), das vor allem für die Regulierung des Blutdrucks wichtig ist. Im Falle einer Infektion sorgt Vitamin D dafür, dass diese beiden Systeme nicht aus dem Ruder laufen. "Da das Coronavirus eine zentrale Schaltstelle dieser Regelkreise (ACE2) befällt, halten sich proentzündliche und antientzündliche Prozesse nicht mehr die Waage", erläutert Biesalski. "Das System gerät durcheinander. Und zwar besonders dann, wenn gleichzeitig ein Vitamin-D-Mangel besteht." Die Balance zwischen pro- und antientzündlichen Prozessen verschiebt sich zugunsten der proentzündlichen, die dann richtig Fahrt aufnehmen. "Die Folge sind gravierende Veränderungen in den Lungenbläschen, die zu einer schweren Komplikation der Covid-19-Erkrankung führen, dem sogenannten Akuten Atemnotsyndrom."

Bei jedem Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus soll daher unbedingt der Vitamin-D-Status geprüft und ein mögliches Defizit zügig behoben werden, empfiehlt der Mediziner. "Besonders für Menschen mit einer der Grunderkrankungen oder für Ältere ist dies empfehlenswert. Bei Menschen in Seniorenheimen ist der Vitamin-D-Spiegel oft verheerend niedrig. In Zeiten des Homeoffice halten sich viele Leute zudem längere Zeit in geschlossenen Räumen auf, was auch zu einer schlechten Vitamin-D-Versorgung beiträgt."

Um Missverständnisse zu vermeiden, betont Biesalski jedoch: "Vitamin D ist kein Medikament, mit dem man Covid-19-Erkrankungen heilen kann. Doch man kann damit positiv auf den Krankheitsverlauf einwirken, indem es dem Organismus ermöglicht, die Balance zwischen den pro- und antientzündlichen Prozessen wiederherzustellen."

Fazit: Was also können Menschen, die an Diabetes und/oder Bluthochdruck erkrankt sind, tun? Einerseits ganz streng an die Covid-Regeln (Masken, Abstand) halten. Andererseits: gerade jetzt im Sommer viel Vitamin D an der Sonne oder auch mit dem Konsum von Fischgerichten „tanken“, das lässt sich auch gut mit Bewegung im Freien verbinden – egal ob garteln, radfahren, gehen oder schwimmen. All das hilft – kombiniert mit sommerlicher leichter Ernährung - auch die Kilos schmelzen. Damit sinkt die Gefahr für Adipositas oder mildert eine bereits vorhandene.