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Blindheit, Nieren- und Nervenschäden: Wer will das schon?

Diabetes-Spätschäden haben zahlreiche Auswirkungen auf den Körper. Sie verkürzen die Lebenszeit und beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Personen.

Den Blutzucker innerhalb enger Grenzen zu halten ist für den gesunden Körper ein Kinderspiel. Für Menschen mit Diabetes allerdings ein ununterbrochener Kampf, der 24/7 für 365 Tage im Jahr wütet. Doch die Mühen machen sich bezahlt. Studien zufolge können Menschen mit Typ-2-Diabetes bis zu zehn zusätzliche Lebensjahre erreichen, wenn sie ihre Risikofaktoren und Werte optimal in den Griff kriegen. Auch für gut eingestellte Typ-1-Diabetiker verändern sich dank moderner Therapieoptionen die Voraussetzungen Jahr um Jahr zum Positiven. Doch was passiert, wenn man sich nicht mit seiner Erkrankung auseinandersetzt und diese vernachlässigt?

Von Mag. Christopher Waxenegger*

Entstehung von Langzeitfolgen

Langzeitfolgen des Diabetes (sogenannte Diabetes-Spätschäden) haben zahlreiche Auswirkungen auf den Körper. Sie verkürzen die Lebenszeit und beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Personen. Die wohl wichtigste Ursache ist der krankhaft erhöhte Blutzuckerspiegel. Befindet sich nämlich zu viel Glukose im Blut, reagieren die Zuckermoleküle mit körpereigenen Proteinen. Dieser Prozess der nichtenzymatischen Glykierung führt zu nachhaltigen Struktur- und Funktionsveränderungen der jeweiligen Proteine. Das Ergebnis sind AGEs (Advanced Glycation End Products), die an der Entstehung von Arteriosklerose und andere Folgeerkrankungen wie Retinopathie (Schädigung der Augen), Neuropathie (Schädigung der Nerven) und Nephropathie (Schädigung der Nieren) beteiligt sind.

Retinopathien machen blind

Retinopathien gliedern sich grundsätzlich in zwei Kategorien: Die nicht-proliferative diabetische Retinopathie (Frühstadium) und die proliferative Form (Spätstadium). Der geringe Durchmesser der Gefäße im Auge prädestiniert diese für diabetesbedingte Langzeitschäden. Andererseits lässt sich das Ausmaß dieser Gefäßschäden mithilfe optischer Hilfsmittel beim Augenarzt leicht feststellen. Dieser diagnostiziert die Retinopathie anhand etwaiger Mikroaneurysmen (sackartige Ausbuchtungen von Blutgefäßen als Zeichen einer geschwächten Gefäßwand), retinaler Blutungen oder anderer Abnormitäten, die für gewöhnlich mit Sehproblemen verbunden sind.

Diabetische Retinopathien gehören zur weltweit häufigsten Ursache vermeidbarer Blindheit im Erwachsenenalter! Der einmal jährliche Augenarzttermin sollte für alle Personen mit Diabetes daher einen festen Platz im Kalender einnehmen.

Neuropathien verursachen Schmerzen

Schätzungen gehen davon aus, dass rund 60-90% aller Menschen mit Diabetes an einer Neuropathie leiden. Insbesondere Nervendefekte der Arme und Beine sind weit verbreitet. Sie beruhen in erster Linie auf osmotischen Zellschäden durch die Ablagerung von Sorbit. Dieser Zucker wird über den bei erhöhtem Blutzucker aktivierten Polyolweg gebildet. Typische Symptome bei Neuropathie sind Taubheitsgefühl, Missempfindungen sowie nächtliche Wadenkrämpfe. Bei 10-20% der Patienten bedingen die strukturellen Veränderungen an den Nerven behandlungsbedürftige, schmerzhafte Beschwerden wie Kribbeln, Brennen, Ameisenlaufen oder starke Berührungsempfindlichkeit. Eine gute Blutzuckereinstellung hilft nachweislich dabei Neuropathien gar nicht erst entstehen zu lassen.

Nephropathien begünstigen Dialysen

Die diabetische Nierenerkrankung (DKD) tritt mit einer Häufigkeit von circa 3% pro Jahr während der ersten 20 Jahre nach Erkrankungsbeginn auf. In Summe betrifft sie bis zu 40% aller Menschen mit Diabetes. Rund die Hälfte entwickelt nach zehn Jahren ein terminales Nierenversagen, ein Anteil, der nach 20 Jahren sogar auf bis zu 75% steigt, sofern das Fortschreiten der Erkrankung nicht medikamentös behandelt wird.

Eine DKD ist durch Eiweißausscheidung über den Urin, Bluthochdruck und nachlassende Nierenfunktion gekennzeichnet. Ähnlich der Retinopathie und Neuropathie geht eine gute Blutzuckereinstellung mit einem geringeren Risiko für bleibende Nierenschäden einher. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes dürfte sich eine strikte Blutzucker- und Blutdruckkontrolle besonders positiv auswirken.

Wie der Diabetes selbst verläuft auch die DKD meist für viele Jahre unentdeckt, bis ein bereits eingetretener Nierenschaden nicht mehr umkehrbar ist. Sie ist mittlerweile zur wichtigsten Ursache für eine dialysepflichtige Nierenfunktionsstörung geworden. Die Bestimmung der Nierenparameter gehört dementsprechend zum Standardprogramm der ärztlichen Kontrolluntersuchung.

Take-Home-Message

Bedingt durch die vielfältigen Spätfolgen verkürzt unbehandelter Diabetes erheblich die Lebenserwartung und Lebensqualität. Umgekehrt lassen sich diese Spätfolgen durch eine gute Blutzuckereinstellung deutlich verzögern. Wenn dann auch noch das Gewicht passt, man körperlich aktiv ist und andere Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen adäquat behandelt werden, steht heutzutage einem langen erfüllten Leben nichts mehr im Weg.

 

*Christopher Waxenegger ist Pharmazeut, Fach-Autor und Typ-1 Diabetiker.