Bio-Milchprodukte im Zucker-Check
Mehr als jedes zweite Bio-Produkt enthält zu viel Zucker
Bio-Lebensmittel liegen im Trend und werden unter anderem aus gesundheitlichen Gründen stark nachgefragt. Der jährliche Milchprodukte-Check des vorsorgemedizinischen Instituts SIPCAN stellte deshalb den Zuckergehalt von Bio-Milchprodukten zum Trinken und Löffeln in den Fokus. Dies zeigte: Im Vergleich zu konventionellen Produkten müssen deutlich mehr Bio-Produkte als zu süß eingestuft werden, denn mehr als jedes zweite Bio-Produkt enthält zu viel Zucker. Die Experten von SIPCAN fordern daher von der Lebensmittelindustrie, dass auch beim Bio-Angebot eine schrittweise Zuckerreduzierung stärker in Angriff genommen wird. Allen Konsumenten wird geraten gezielt auf die Nährwertangabe und die Portionsgröße zu achten.
Bio-Produkte erfreuen sich steigender Beliebtheit. Österreich liegt mit seiner biologischen Landwirtschaft mit 27 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche nicht nur auf Platz 1 in der EU, auch der Anteil von Bio-Lebensmitteln am österreichischen Markt liegt mit über 11 % „Bio-Umsatz“ im europäischen Spitzenfeld (siehe https://bioinfo.at/bio-in-zahlen). Der Griff zum Lebensmittel in Bio-Qualität erfolgt aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes, des Tierwohls, des Geschmacks und der Gesundheit. Das vorsorgemedizinische Institut SIPCAN überprüfte daher in Bezug auf den Gesundheitsaspekt im Rahmen seines jährlichen Milchprodukte-Checks gezielt, wie die biologischen Milchprodukte am österreichischen Markt hinsichtlich ihres Zuckergehaltes abschneiden.
Jedes vierte Milchprodukt ist bio
Insgesamt wurden im Rahmen des aktuellen Milchprodukte-Checks 928 Produkte erfasst (in Gebinden bis 0,75 Liter bzw. 750 Gramm). Der Anteil an biologischen Milchprodukten lag bei 27 % (250), das heißt: Mindestens jedes vierte Milchprodukt im Milchregal ist erfreulicherweise bereits ein Bio-Produkt. 85 % davon waren Produkte zum Löffeln wie Joghurts, Puddings o.ä. (213) und 15 % Produkte zum Trinken wie z.B. Trinkjoghurts, Molke- oder Buttermilchgetränke (37).
Mehr konventionelle Milchprodukte erfüllen die Kriterien
„Ein sehr spannendes Ergebnis unserer Analyse war: Unter den konventionellen Milchprodukten erfüllen erfreulicherweise 46 % die SIPCAN Orientierungskriterien für eine gesündere Auswahl, während dies nur 40 % der Bio-Produkte schaffen.“ so Dr. Manuel Schätzer, Studienleiter bei SIPCAN (Anm.: Die Orientierungskriterien von SIPCAN lauten: Es sollten maximal 11,5 Gramm Zucker pro 100 Gramm bzw. Milliliter und keine Süßstoffe enthalten sein. Zudem sollte der Fettgehalt maximal 4,2 Prozent betragen.) Ein spannendes Detail ist, dass von jenen Bio-Produkten, die nicht den Kriterien entsprechen, beinahe zwei Drittel (63 %) aus dem benachbarten Ausland kommen. Heimische Bio-Produzenten von Milchprodukten sind daher ihrer ausländischen Konkurrenz in Bezug auf die Einhaltung der Orientierungskriterien vielfach voraus. Der zentrale Grund, warum allgemein weniger Bio-Produkte den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen, findet sich im Zuckergehalt, denn mit 54 % liegt mehr als die Hälfte der Bio-Produkte über dem Orientierungskriterium von 11,5 g Zucker pro 100 Gramm bzw. Milliliter, während im konventionellen Bereich nur 43 % zu zuckerhaltig sind. „Bei den Bio-Produkten sind es im Vergleich leider besonders viele, die relativ knapp über den Orientierungskriterien liegen. Dies betrifft immerhin 30 % aller Bio-Produkte (75). Das bedeutet aber auch: Die Hersteller von Bio-Produkten haben eine große Chance, mit einer Reduktion von nur 1 Gramm Zucker pro 100 Gramm/Milliliter oder sogar weniger die Vorgaben für den Zuckergehalt zu erfüllen.“ erläutert Schätzer weiter. Dieses Potenzial haben auch 18 % aller konventionellen Milchprodukte.
Hinsichtlich des Fettgehaltes sind es dagegen die Bio-Produkte, die etwas besser abschneiden: Mit 19 % überschreitet nur knapp jedes fünfte Produkt das Orientierungskriterium von 4,2 Gramm pro 100 Gramm/Milliliter, bei den konventionellen Produkten sind es 23 % und daher mehr als jedes fünfte.
Keine Süßstoffe bei Bio-Milchprodukten
Ein großer Pluspunkt für die Bio-Produkte ist: Keines der recherchierten Milchprodukte enthielt Süßstoffe. Unter den konventionellen Milchprodukten betraf dies leider noch 8 % aller Produkte (n=54). Gerade im Hinblick auf die doch zunehmenden negativen Studienergebnisse zu den Auswirkungen von Süßstoffen und auch die kürzlich veröffentlichte Stellungnahme der WHO, die vom Einsatz von Süßstoffen zur Gewichtskontrolle dezidiert abrät, wäre eine Optimierung hier dringend nötig.“ appelliert Univ.-Prof. Prim. Dir. Dr. Friedrich Hoppichler, Vorstand von SIPCAN, Internist und Ärztlicher Direktor des öffentlichen Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Salzburg.
Langfristige Zuckerreduktion als Ziel
„Insgesamt gesehen ist es aus gesundheitlicher Sicht sehr erfreulich, dass sich das Produktsegment der Milchprodukte, die ja zweifelsohne einen wertvollen ernährungsphysiologischen Beitrag leisten, hinsichtlich Zucker- und auch Süßstoffgehalt immer weiter verbessert. So ist der durchschnittliche Zuckergehalt über die letzten 10 Jahre um ein Fünftel von 14,1 Gramm auf aktuell 11,3 Gramm gesunken. Der Anteil ansüßstoffhaltigen Milchprodukten reduzierte sich von 15 auf 6 %. „Das oberste Ziel in der Gesundheitsförderung und Prävention ist, dass wir uns von Kindesbeinen an und langfristig an weniger Süße gewöhnen. Dies gelingt nur durch eine Reduktion von Zucker UND Süßstoffen.“ betont Hoppichler.
Dass Bio-Produkte sehr viele Vorteile bieten, steht außer Frage. Leider heißt dies aber nicht, dass alle Bio-Produkte automatisch die gesündere Wahl sind. An die Konsumenten richten die Experten daher den Rat: „Achten Sie auch bei Bio-Milchprodukten gezielt auf den Zuckergehalt. Werfen Sie dazu einen prüfenden Blick auf die Nährwerttabelle und Zutatenliste und achten Sie besonders bei süßeren Produkten auf eine kleine Portionsgröße."
Alle Milchprodukte im Zucker-Check können online unter www.sipcan.at/online-checklistenoder über die praktische APP für unterwegs abgefragt werden (Stichwort „SIPCAN Check“).
Über SIPCAN
SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition) wurde als Initiative für ein gesundes Leben im Jahr 2005 gegründet. Als unabhängiges, präventivmedizinisches Institut wird SIPCAN von einem nationalen, wissenschaftlichen Expert*innen-Gremium aus medizinischen und angrenzenden Fachbereichen (Innere Medizin, Kardiologie, Diabetologie, Ernährungswissenschaften, Sozialmedizin usw.) unterstützt. Die Schwerpunkte von SIPCAN liegen in den Bereichen Gesundheitsförderung in Schulen und Betrieben sowie Forschung und Wissenschaft.