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„Beraten und unterstützen – ohne erhobenen Zeigefinger“

Dr. Ingrid Schütz-Fuhrmann, Oberärztin der Abteilung für Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie am Krankenhaus Hietzing, bemüht sich vor allem um jugendliche und schwangere Diabetiker. Ihr Credo: „Schulmeistern bringt nichts“.

Davon, einmal Ärztin zu werden, träumte das Mädchen aus Bad-Vöslau bei Wien schon als Teenager. Dass die Tochter einer niederösterreichischen Arbeiterfamilie sich diesen Traum auch erfüllen würde, ahnte jedoch vorerst wohl kaum jemand. Denn ehe sie sich via Externisten-Prüfung in Biologie den Weg an die medizinische Universität ebnete, machte sie ihren Abschluss an der kaufmännischen Abteilung der HTL Spengergasse. 
Doch Ingrid Schütz blieb ihrem Vorsatz treu und stürzte sich danach sofort unbeirrt ins gewünschte Studium. Die zielstrebige junge Frau verdiente sich durch Arbeit in Wilhelminenspital und Ludwig-Boltzmann-Institut ein Zubrot, konzentrierte sich anfangs auf Nephrologie, bekam die Chance, ihre Ausbildung ein Jahr lang in Frankreich weiter auszubauen – und schlug dort quasi einen weiteren „Karriere-Umweg“ ein: 
Schwanger nach Österreich zurückgekehrt, stand erst noch ein Karenzjahr auf dem Plan, bevor sie  an der psychiatrischen Klinik am Steinhof ihren Turnus begann. Dieser führte sie in der Folge in die Interne Abteilung des Krankenhauses Hietzing und letztlich ins endokrinologische Fach. „Eigentlich war das Zufall, weil ein Kollege und ich uns zwischen Nephrologie und Endokrinologie entscheiden mussten. Ich hatte immer gedacht, ich würde eher Nephrologin werden, fand aber beides spannend. Mein Kollege und ich wollten uns damals nicht im Weg stehen“, erinnert sich die Oberärztin heute. Ein durchaus vorteilhafter Zufall, wie sich bald herausstellen sollte. Denn Schütz konzentrierte sich auf die Beratung von Typ-1-Diabetikern und wurde rasch zur Spezialistin für hilfreiche Technologien (vor allem Insulinpumpen) – ein Gebiet, bei dem der Medizinerin das zuvor an der HTL erworbene technische Wissen durchaus nützte. 

Inzwischen gilt Schütz längst als renommierte Expertin und gefragte Beraterin für Menschen mit Typ 1 Diabetes, diabetische Frauen mit Kinderwunsch und schwangere Diabetikerinnen. Was ihr dabei besonders wichtig ist, fasst sie so zusammen: „Maßregelung mit erhobenem Zeigefinger ist kontraproduktiv. Es gilt, eine Beziehung aufzubauen, diese zu halten, und den Patienten und Patientinnen ebenso beratend wie begleitend zur Seite zu stehen.“ 

Bei jungen Menschen sei in erster Linie der Umgang mit Notsituationen Thema: „Mit 18 bis 24-Jährigen spricht man eher über das richtige Verhalten bei Stoffwechselentgleisungen und Hypoglykämien als über Lebensstilfaktoren. Und es ist wichtig, dass man nie schulmeistert. Die Patienten müssen das Gefühl haben, jederzeit kommen und um Rat fragen zu können – auch wenn sie sich mal nicht an den Therapieplan gehalten haben.“ Außerdem seien für dieses Kollektiv die vielen neuen Geräte interessant, berichtet Schütz: „Flash Glucose Messung statt ,blutig’ und Pumpen mit präventiver Abschaltfunktion verbessern die Therapiekontrolle deutlich und sorgen dafür, dass es weniger Krisen gibt. Wir gehen ja jetzt in Richtung Semi Closed oder Closed Loop. Das ist gut.“ 

Bei schwangeren Typ-1-Diabetikerinnen sei essenziell, dass sie ihrer Mutterschaft gut eingestellt und ohne große Ängste entgegengehen können: „Leider wird im Internet oft suggeriert, dass diese Frauen mit großen Risiken zu rechnen hätten. Risiken gibt es aber auch bei gesunden Schwangeren. Und betrachtet man, wie viele gesunde Kinder inzwischen von insulinabhängigen Diabetikerinnen geboren werden, ist das eine echte Erfolgsgeschichte. Auch hier ist der Aufbau einer guten Beziehung zur Patientin also besonders wichtig. Und man muss Befunde immer sehr genau besprechen, um etwaige Ängste zu lindern“, erklärt Schütz, die selbst Mutter zweier erwachsener Töchter ist. Und die Spezialistin betont: „Diese Frauen haben es auch so schon nicht leicht, weil es schwer ist, die empfohlenen Werte einzuhalten, ohne sich dabei ständig unterzuckert durchs Leben zu schleppen. Alles, was unter 7 ist, ist gut. Aber unter 6, wie eine gesunde Frau, geht eigentlich nicht. Die Patientinnen müssen einen Teil ihres Lebens ständig streng kontrollieren. Dabei sollten sie jede erdenkliche Unterstützung bekommen.“ Dies sei jedoch durch die funktionelle Insulintherapie, Pumpen und aktuelles Wissen deutlich einfacher geworden: „Wir haben hier in den vergangenen 20 Jahren viel erreicht.“ 

Was sich die passionierte Bergsteigerin und Mountainbikerin, die es immer wieder zwecks Kletter- und Wandertouren in ferne Lande wie Kolumbien oder Südafrika zieht, für die Zukunft wünscht, deckt sich wohl mit den Wünschen fast jeden Diabetikers: 
Mehr Wissen über die Entstehung von Diabetes-Typ-1, das die Entstehung der Krankheit vorweg verhindern kann, steht da ganz oben auf der Liste der Expertin. 
Außerdem hofft sie, dass in Österreich bald alle Patienten dieselben Mittel für die selbe Krankheit bekommen werden und die Unterschiede (zum Beispiel in der Refundierung) sich nicht mehr je nach Bundesland unterscheiden. Und Schütz drängt darauf, nicht nur jenen alle verfügbaren Unterstützungen zu bieten, die häufig mit Krisen konfrontiert sind: „Diabetes ist lebenslang und bedarf ständiger Kontrolle. Es ist also auch für die Lebensqualität essenziell, alle Mittel bekommen zu können, die dabei helfen.“ 

Zu guter Letzt ein kleiner Word-Rap mit Oberärztin Dr. Ingrid Schütz-Fuhrmann: 

Was macht Sie glücklich? 
Bergsteigen! 

Was ist Ihr Lebensmotto? 
Viele Wege führen zum Ziel. 

Ihr größtes Talent? 
Dass ich mich sehr schnell auf Menschen und Situationen einstellen kann. 

Ihr größter Fehler? 
Ungeduld. 

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei anderen Menschen besonders? 
Humor, Spontanität, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit. 

Was ärgert Sie besonders? 
Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit. 

Welche natürliche Gabe hätten Sie gern? 
Ich würde sehr gerne ein Instrument spielen können. Und zwar besonders gut. Saxofon oder Trompete zum Beispiel. Leider bin ich aber über wenig erfolgreiches Blockflötenspiel nie hinausgekommen – und dies auch nur als Kind. 

Ihr größter Traum?    
Ich habe keinen. Es sind eher viele kleine Träume. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass ich das, was ich gerne tun will, noch lange und ohne Einschränkungen werde tun können. Dass meine Kinder ein Leben voller Sinn, Spaß und Zufriedenheit führen können. Und dass die Dummheit nicht die Welt erobert, sondern wir in stabilen sozialen Verhältnissen leben können.