Risikopatienten: Antidiabetika sollten auch Herz und Nieren schützen
Typ-2-Diabetiker mit Herz- und Nierenleiden sollen jetzt nach den Leitlinien (Deutschland) GLP1-Agonisten oder SGLT-2-Hemmer erhalten. Allgemein sind bei der Wahl der Medikamente auch Adipositas und Hypoglykämievermeidung wichtige Kriterien.
Bewegung und gesunde Kost sind die Basis jeder Therapie bei Typ-2-Diabetes, und Metformin bleibt das Mittel der Wahl beim Einstieg in die medikamentöse Behandlung. Diese Grundsätze in Leitlinien sind seit vielen Jahren unverändert.
Nach Metformin wurden die Empfehlungen aber neuen Studiendaten angepasst. Diabetologen in Deutschland orientieren sich dabei in der Regel an Konsensus-Empfehlungen der Europäischen Diabetesgesellschaft EASD und des US-Pendants ADA (Diabetologia 2020; 63: 221).
Liegt ASCVD, Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankung vor?
Demnach muss als erstes Kriterium zur Arzneiwahl nach Metformin entschieden werden, ob eine atherosklerotisch-kardiovaskuläre Erkrankung (ASCVD) einschließlich nur eines erhöhten Risikos dafür oder eine Herzinsuffizienz oder eine chronische Nierenerkrankung vorliegt. Als erhöhtes ASCVD-Risiko gilt:
- Alter ≥55 Jahre plus linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) oder
- arterielle Stenose >50 Prozent in Koronarien, Carotiden, Beingefäßen.
Bei diesen Krankheiten und Risiken wird zusätzlich ein SGLT2-Hemmer oder ein GLP-1-Agonist mit nachgewiesenem Nutzen empfohlen (Substanzen, die kardiovaskuläre Ereignisse in Endpunktstudien signifikant reduziert haben!).
Nach Angaben von Professor Andreas Hamann aus Bad Homburg gehören Empagliflozin, Liraglutid, Dulaglutid und das Semaglutid-Injektionspräparat dazu, sowie eingeschränkt Dapagliflozin (belegter Nutzen bei Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung!).
- Stehen ASCVD oder ein erhöhtes ASCVD-Risiko im Vordergrund, wird GLP-1-Agonisten der Vorzug gegeben. Die Therapie ist unabhängig vom Erreichen des HbA1c-Ziels zu erwägen.
- Stehen Herzinsuffizienz oder chronische Nierenleiden im Vordergrund, sollte bevorzugt ein SGLT2-Hemmer verordnet werden (sofern die eGFR dies erlaubt). Das gilt besonders bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion <45 Prozent (HFrEF) sowie bei Niereninsuffizienz (eGFR 30–60 ml/min/1,73 m2) oder bei erhöhter Albumin/KreatininRatio (>30 mg/g) und bei Makroalbuminurie (> 300 mg/g Kreatinin).
Reicht die Zweierkombi für das HbA1c-Ziel nicht aus, sollte als drittes Antidiabetikum die jeweils andere Substanzgruppe mit nachgewiesenem Nutzen verordnet werden. Im Falle von Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen sind andere Präparate zu wählen, für die zumindest kardiovaskuläre Sicherheit in Endpunktstudien demonstriert wurde.
Hypovermeidung und Gewichtsreduktion
Bei Patienten ohne die drei erwähnten Folgekrankheiten kommen bei der Wahl des zweiten Antidiabetikums nach Metformin Zusatzeffekte wie Gewichtsreduktion und Hypoglykämievermeidung ins Spiel. Liegt der HbA1c initial 1,5 Prozentpunkte und mehr über dem Zielbereich, so kann bereits beim Start der Medikation eine Zweierkombi verordnet werden. Generell empfohlen werden bei:
- Präferenz für Hypovermeidung: DPP4-Hemmer, Glitazone, GLP-1-Agonisten oder SGLT2-Hemmer. Reicht eine Dreierkombination nicht aus, wird eine Viererkombination dieser Präparate empfohlen. Als weitere Eskalation wird zur zusätzlichen Gabe eines Sulfonylharnstoffs oder eines Basalinsulins mit jeweils geringem Hypoglykämierisiko geraten.
- Präferenz für Gewichtsreduktion: SGLT2-Hemmer oder GLP-1-Agonisten. Wird mit der Zweierkombination das HbA1c-Ziel nicht erreicht, so ist eine Dreierkombination von Metformin, GLP-1-Rezeptoragonist und SGLT2-Inhibitor Therapie der Wahl. Reicht auch dies nicht aus, so wird zusätzlich ein weiteres orales Antidiabetikum empfohlen, eventuell zusammen mit Ernährungstherapie plus Formuladiät oder Antiadipositum oder auch die metabolische Chirurgie.
- Präferenz für niedrige Kosten: Sulfonylharnstoffe oder Glitazone. Wird mit der Zweierkombi das HbA1c-Ziel nicht erreicht, so ist eine Dreierkombi (Metformin, Sulfonylharnstoff und Glitazon) die Therapie der Wahl. Als weitere Eskalation wird ein kostengünstiges Basalinsulin oder ein weiteres orales Antidiabetikum (DPP4-/ SGLT2-Hemmer) empfohlen
GLP-1-Agonist bei Einstieg in Injektionstherapie
Zum Einstieg in eine Injektionstherapie wird prioritär ein GLP-1-Agonist empfohlen, und zwar so lange der HbA1c unter 11 Prozent liegt, symptomatische Stoffwechselentgleisungen mit Zeichen von Insulinmangel auszuschließen sind und kein Anhalt für einen Typ-1-Diabetes besteht. Erst wenn auch unter dem GLP-1-Agonisten der HbA1c weiter über dem Zielbereich liegt, sollte ein Basalinsulin der Therapie hinzugefügt werden.
Als weitere Eskalationen werden ein prandiales Insulin (zunächst zu der Mahlzeit mit dem größten BZ-Anstieg) und weiter bis hin zur intensivierten Insulintherapie empfohlen.
Quelle: http://www.aerztezeitung.de/