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TEIL 1: Aus der Hüfte geschossen

Ein Moment der Unaufmerksamkeit und alles war anders. Wie Peter P. Hopfinger mit dem E-Bike in Richtung Geriatrie radelte.

Von Peter P. Hopfinger

Es sollte ein schöner Sommer werden. Sportlich im Sonnenschein, mit und ohne Euro-Fußball, Ende Juli dann eine gemütliche Stoffwechsel-Reha in Bad Gleichenberg, von der ich in einem Blog berichten wollte.

Ein Moment der Unaufmerksamkeit und alles war anders.

Mein E-Bike rutschte in Zeitlupe zur Seite, ich mit ihm und schon das knackende Geräusch machte mich sicher: da ist was gebrochen. Keine Ahnung, warum ich so sicher war, denn ich hab mir in meinen sechseinhalb Lebensjahrzehnten noch nicht einmal einen kleinen Finger gebrochen. Wie auch immer : jetzt wird statt dem Diabetes-Blog quasi aus der Hüfte geschossen.

Der Besitzer eines Kinderwagen-Shops rief die Rettung, die innerhalb von Minuten eintraf und während ich auf dem Weg ins Donauspital war, verstaute mein Ersthelfer mein E-Bike. „Machen Sie sich keine Sorgen, wir passen darauf auf.“

Dann ging es schon per Rettung ins Donauspital (früher SMZ Ost), in dem mich ein Chirurgenteam rund um Prim. Univ.Prof.Dr. Mehdi Mousavi, einem vor dem Regime Ayatollah Khomeini nach Wien geflohenen Mediziner, unter seine Fittiche nahm.

Wir entscheiden gemeinsam, dass ich am nächsten Tag ein komplettes Titangelenk per Kreuzstich-Narkose in meine rechte Hüfte eingebaut bekomme.

Gesagt, getan.

Genauer: die Ärzte haben gesagt und getan und ich als schmerzgepeinigter Patient habe mich kurzfristig der Illusion hingegeben, dass ich nur stillhalten muss und nach der Operation wieder alles gut ist.

Weit gefehlt. Die OP ist nach einer knappen Stunde vorbei und ich wache mit mehreren Stahlklammern entlang der rechten Hüfte und verschiedenen Nadeln im Körper in einem Raum mit mehreren anderen Frischoperierten wieder auf. Obwohl: wach ist das falsche Wort. Manche sprechen im postoperativen Schlaf, andere schreien vor Schmerzen und verfluchen ihr Schicksal. Knapp drei Tage verbringe ich – bestens sediert und anderweitig versorgt – in diesem seltsamen Zustand, bevor ich in die Sonderklasse übersiedeln darf. Einzelzimmer, Bad und Toilette sowie TV, Radio und Zeitungsangebote.

Die erste Lektüre hat freilich nichts mit den sportlichen Großereignissen wie Wimbledon oder der UEFA 2020 zu tun, obwohl sie teilweise durchaus sportliche Elemente beinhaltet. Sie beginnt mit aufmunternden Worten:

„Sie haben ein künstliches Hüftgelenk bekommen…Beachten Sie vor allem für die nächsten acht Wochen folgende Grundregeln:

Liegen

  • Beim Liegen auf dem Rücken mit gestreckten Beinen zeigen die Kniescheiben nach oben, Bein nicht nach aussen drehen
  • Beine nicht überkreuzen
  • Seitenlage auf der nicht operierten Seite nur bei Schmerzfreiheit. Legen Sie einen festen Polster zwischen die Beine
  • Seitenlage auf der operierten Seite frühestens sechs Wochen nach der Operation

Sitzen

  • Meiden Sie niedrige Sitzgelegenheiten – die Sitzhöhe muss mindestens bis zur Kniekehle reichen
  • Keine weiche Couch/kein niedriges Bett
  • Vorsicht Autositz: mit Polster oder Decke unterlegen
  • WC-Aufsatz verwenden
  • Beim Sitzen Oberkörper nicht zu weit vorbeugen
  • Vorsicht beim Anziehen von Strümpfen und Schuhen
  • Beine nicht überkreuzen

Stehen

  • Keine raschen und unkontrollierten Bewegungen
  • Oberkörper nicht gegen die Beine verdrehen

Auch für einen Lagewechsel, fürs Hinsetzen, aufstehen, gehen, Stiegen steigen und fürs Bücken gibt es gezielte zigtausendfach erprobte schriftliche Anleitungen. Machen muss man es natürlich selbst, auch wenn Physiotherapeut Wolfgang anfangs hilfreich zur Seite steht.

Auch eine Reihe von Hilfsmitteln wird ausdrücklich empfohlen. Krücken sind dabei der Standard, aber auch eine Greifzange, ein erhöhter Toilettensitz, dicke Schaumstoffsitze für die geliebte Couch und ein Badewannenbrett gehören dazu.

Ich besorge mir das alles noch im Spital aus genau zwei Gründen: ich will – wie beim Diabetes – alles mir Mögliche tun, um rasch wieder fit zu werden und will andererseits unter allen Umständen alles dazu beitragen um einen erneuten Sturz zu vermeiden.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn immerhin bis ich in 66 Jahren erst einmal so gestürzt, dass ich mir etwas gebrochen habe, obwohl ich früher beim Schifahren manch katastrophale Brez´n gerissen aber unbeschadet überstanden habe.

Jetzt aber scheint´s, als wäre ich auf dem direkten Weg in einen neuen Lebensabschnitt namens Geriatrie. Oder doch nicht?

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Fragen, Ihre Erfahrungen oder anderes erreichen mich unter hopfinger(at)diabetes-austria.com