Auch "Zeitspanne im Normbereich" korreliert mit Diabeteskomplikationen
Der HbA1C-Wert gilt als Goldstandard bei der Blutzuckerkontrolle von Patienten mit Diabetes – er weist aber auch einige Limitationen auf. Wissenschaftler aus den USA haben jetzt in einer Studie untersucht, ob die "Zeitspanne im Normbereich" von 70–180 mg/dl Blutzucker eine mögliche Alternative ist, mit der sich mikrovaskuläre Komplikationen wie Retinopathie und Nephropathie auch vorhersagen lassen.
Der HbA1C-Wert hat sich als Instrument zur Blutzuckerkontrolle bei Patientenmit Diabetes durchgesetzt, nachdem in der DCCT-Studie (Diabetes Control and Complications Trial) eine starke Assoziation mit chronischen vaskulären Diabeteskomplikationen gezeigt wird. Der Wert lässt sich heute mit großer Präzision bestimmen und hat sich in der Praxis und in klinischen Studien als einfach zu bestimmender Parameter bzw. Endpunkt bewährt.
Limitationen des HbA1C-Wertes
Trotzdem gibt es einige Limitationen. Da es sich um einen Mittelwert beruhend auf der Hyperglykämie handelt, lassen sich bei individuellen Patienten keine hypoglykämischen Phasen erkennen und auch die glykämische Variabilität und das Tagesprofil bilden sich nicht ab. Dies ist beim Gruppenvergleich innerhalb von klinischen Studien von geringerer Bedeutung – könnte aber beim Management individueller Patienten von großer Tragweite sein.
Zudem kann die Aussagekraft des HbA1C-Wertes durch zahlreiche Faktoren eingeschränkt sein. Dazu gehören z. B. Hämoglobinopathien, hämolytische Anämien und chronische Niereninsuffizienz.
"Time in range" als Alternative
Mit zunehmender Verbreitung der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) sind auch andere Parameter wie die Zeitspanne im "Normbereich" von 70–180 mg/dl (TIR für time in range) in den Fokus gerückt. Auch die TIR wird überwiegend von der Hyperglykämie bestimmt und korreliert daher gut mit dem HbA1C-Wert. Bisher wurde aber für den TIR noch keine Assoziation mit diabetischen Komplikationen nachgewiesen.
Dies haben sich Roy W. Beck aus Tampa, Florida, USA, und seine Arbeitsgruppe zur Aufgabe gemacht. Dazu nutzten sie Daten aus der DCCT Studie. Hier lagen siebenmal täglich entnommene Blutzuckerwerte der 1.440 Teilnehmervor, die einmal monatlich bestimmt wurden. Aus diesen Werten lässt sich annähernd eine TIR berechnen, wenn auch nicht so exakt wie mit der CGM. Die so bestimmte TIR wurde in Bezug gesetzt zur Progression der alle sechs Monate kontrollierten Retinopathie und der Entwicklung der Mikroalbuminurie, die alle 12 Monate bestimmt wurde.
Gute Korrelation mit mikrovaskulären Diabeteskomplikationen
Die TIR lag im Mittel bei 41 ± 16%. Je weniger Zeit die Patienten im Normbereich verbrachten, umso größer war das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen. Für jeweils eine 10% geringere TIR konnten die Wissenschaftler eine Zunahme der Retinopathie-Progression um 64% und der Mikroalbuminurie um 40% feststellen. Die TIR war deutlich höher in der Gruppe mit intensivierter Therapie im Verglich zur konventionellen Therapie (52 vs. 31%).
Damit besteht eine starke Assoziation zwischen der TIR und der Entwicklung mikrovaskulärer Komplikationen. Dies bedeutet, dass die TIR auch ein akzeptabler Endpunkt in klinischen Studien ist – insbesondere, wenn sich der Parameter bei Anwendung der CGM leicht bestimmen lässt, schreiben die Autoren. Zudem sei davon auszugehen, dass die Assoziation bei Verwendung der exakteren CGM noch stärker ist.
Quelle:
Roy W. Beck et al; Validation of Time in Range as an Outcome Measure for Diabetes Clinical Trials; Diabetes Care 2019 Mar; 42(3): 400-405. https://doi.org/10.2337/dc18-1444