„Alles kein Problem, wenn man ein bisschen auf sich achtet“
Von Elisabeth Schneyder
Es hätte nicht mehr als ein kleiner operativer Eingriff werden sollen, für den sich der renommierte Pressefotograf Jürg Christandl vor rund 15 Jahren in ein Wiener Spital begab. Lästig, aber kaum der Rede wert. Umso größer war der Schreck, als es plötzlich hieß, man könne die Operation wegen viel zu hoher Blutzuckerwerte nicht durchführen.
„Ich hatte mich noch nie mit Diabetes befasst und war wirklich schockiert. Schließlich dachte ich bis dahin, sowas trifft nur dicke Tortenesser“, erinnert sich der gebürtige Tiroler – und meint rückblickend: „Heute wüsste ich, dass der ständige, große Durst, den ich in den Monaten vor meiner Diabetes-Diagnose hatte, schon ein Hinweis darauf war, dass da etwas nicht stimmt“. Damals jedoch hielt Christandl auch den Gewichtsverlust, der sich in den Monaten zuvor bemerkbar gemacht hatte, für ein reines Stress-Symptom. Auf die Idee, dies könnte Anzeichen einer Krankheit sein, sei er jedenfalls nicht gekommen: „Natürlich nicht. Ich war ja nie krank. Kein einziger Krankenstand in gut 20 Jahren!“
Kein Wunder, dass sich dann – im Spital und mit Blutzuckerwerten um die 500 konfrontiert – erst einmal Angst breitmachte. Zum Glück war sofort eine Beraterin zur Stelle, die dem heute 52jährigen „Neo-Diabetiker“ mit Rat und Tat zur Seite stand und ihm Mut machte: „Die Betreuung war sehr gut und die Therapie begann sofort. Ich habe gleich unter Aufsicht zum ersten Mal Insulin gespritzt.“ Mit viel Information und Lektüre ließen sich die Sorgen rasch lindern, nur: „Ich habe befürchtet, dass ich mit Broteinheiten, Tabellen und dem richtigen Einschätzen aller nötigen Werte nicht zurechtkommen werde, weil ich mir das alles einfach gar nicht merken kann“.
Doch die Beraterin konnte Christandl auch in diesem Punkt beruhigen: „Sie meinte, dass man im Durchschnitt ohnehin nur rund 20 verschiedene Gerichte isst, es also gar nicht so schwer ist, sich dazu alles einzuprägen. Das klang zwar aufs Erste überraschend, ist aber wahr – und wirklich leicht zu schaffen“.
Inzwischen geht es Jürg Christandl bestens und er sieht Diabetes sehr gelassen als „behandelbaren Defekt“, der ihn nicht im Geringsten einschränkt: „Ich bin zwar etwas schleissig, was die Untersuchungen betrifft, bemühe mich aber, regelmäßig zu messen und zu spritzen. Mit Insulatard und Novorapid komme ich gut über die Runden, obwohl ich auch viel reise und einen unregelmäßigen Berufsalltag habe“. Eine Insulinpumpe will der Profi-Fotograf nicht „am Körper hängen haben“. Er isst „wie immer“, geht viel spazieren, achtet auf sein Gewicht, und spritzt „manchmal ganz einfach dann, wenn die Ampel grade Rot zeigt“, weil’s ohnehin „nicht auffällig“ und so gewohnt wie Zähneputzen sei. Sein Credo: „Wenn Diabetes die schlimmste Krankheit ist, die man je bekommt, dann hat man großes Glück gehabt!“
Foto: privat