Adieu, mein Alter!
Adieu, mein Alter!
Von Peter Illetschko
Ich habe ein Bild vor mir, dass Dich am Radrunden-Treffpunkt zeigt. Eine graue, wirklich hässliche ärmellose Weste, zerzaustes Haar, Augenbrauen, die Heinz Fischer neidig machen würden. Ein strenger Blick, vermutlich war ich wieder einmal zu spät, ein „Peeeedal!“ (so hast Du mich immer begrüßt). Meist war das an einem Sonntag im Frühjahr oder Sommer. Es sei denn, es war Grand-Prix-Wochenende, dann hast Du Dich in Deinem Zeitmanagement nach der Formel 1 gerichtet. Wir genehmigten uns ein Eis, Sport-BE, um als Typ1-Diabetiker nicht in eine gefährliche Hypoglykämie zu fallen. Meistens hast Du das Tempo vorgegeben, der etwas Geduldigere ließ den etwas Ungeduldigeren den Vortritt. Manchmal waren die Runden länger, manchmal auch kürzer, immer waren sie angenehm, voller Geschichten über Beruf, Frauen oder Pläne für das von Dir und Veronika Kub gegründete Portal Diabetes Austria. Du hast gewusst, dass Du mit Deinem Leib- und Magenthema den Zuhörern auch gewaltig auf die Nerven gehen konntest. Auch ich wollte manchmal nicht mehr über die Krankheit sprechen, die mich seit Beginn des Jahrhunderts begleitet. Deine Energie, Dein Ideenreichtum in Ehren.
Du hast viel über Deine frühen journalistischen Jahre erzählt, über die große Zeit des Austro-Pop, die 1980er-Jahre, soweit Du Dich eben erinnern konntest. Du hast über manch eine Beziehung berichtet, mit Ironie, Ärger, Frust, mit verliebten Augen. Du hast von Deiner Tochter erzählt, von der wohl größten Liebe Deines Lebens, von Ängsten und Fehlern, von aktuellen Ärgernissen und Hoffnungen, vom Böse-Sein und vom Verzeihen. Kurzum: Du hast von all den Dingen gesprochen, die man unter Freunden eben bespricht.
Am Ende einer solchen Runde sind wir nicht selten ins „Schweizerhaus“ gegangen, „in die Schweiz“, wie Du sagtest – auf Bier, Radi und Kartoffelpuffer. Eine kleine Belohnung musste sein. Viele Details meines mehr oder minder erfolgreichen Zuckermanagements habe ich bei Gelegenheiten wie diesen Radfahrrunden gelernt. In vielen Dingen habe ich damals wie heute zu Dir aufgeschaut und ich werde es immer tun –wie zu einem größeren Bruder.
Du warst für mich immer der Optimist, wenn ich der Pessimist war, Du warst nie ärgerlich, obwohl Du bei gründlicher Suche sicher einen Grund gefunden hättest, Du warst immer da – hilfsbereit ohne Zeitlimit. Getreu dem Motto: Künstler helfen Künstlern. Ein Spruch, den Du im Laufe Deines bewegten Lebens sicher tausende Male gesagt hast, ähnlich wie „Ich bin ja nicht auf der Flucht!“ Auch Schüttelreime, Witze, also sprachlich Leichtfüßiges hörte man immer wieder von Dir, ob man wollte oder nicht. Und wenn man Dir sagte, wäre der Witz ein Pferd, dann wäre es jetzt zu Tode geritten, dann hast Du nur geantwortet: Ich habe auch andere Witze.
Im Laufe Deiner Erkrankung wurde Dein Humor, ob sprichwörtlich oder in Sprichwörtern, immer weniger. Wie ein Luftballon, aus dem die Luft ausweicht, wurdest Du, wurde Deine Energie immer weniger. Am Anfang noch sagtest Du zum irreparablen Lungenkrebs: „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei!“ Wochen und Monate später warst Du zu schwach zum Witze machen. Ich besuchte Dich, wahrscheinlich viel zu selten, einmal ließ ich Bier, Radi und Kartoffelpuffer vom Schweizerhaus kommen. Das war ein fröhlicher Nachmittag – fast so wie damals. Das Ende schien trotz Deiner Ausgezehrtheit, trotz Deiner unendlichen Schmerzen, die nur mit Morphium zu bekämpfen waren, unendlich weit.
Ich habe eine große Wut, dass Du immer wieder geraucht hast, obwohl es schon vor Jahren schien, dass Du Dir die Lunge weghustest. Du hättest ein gutes Leben im Alter führen können. Warum hast Du das aufs Spiel gesetzt? Aber ich muss gestehen: Wie alle Menschen, die jemanden verlieren, ob Vater, Mutter oder wie in unserem Fall Freund, reagiere ich wohl sehr egoistisch wegen Deines Todes. Zuletzt wünschte ich Dir nur, dass Du nicht mehr lange leiden musst. Ich war und bin unendlich traurig. Ein selbstbestimmtes Leben wurde abhängig: das ist wahrlich keine Freude, schon gar nicht für Peter Hopfinger.
Lieber Freund. Du fehlst mir. Und Du fehlst, das weiß ich, vielen anderen Menschen genauso. Würde ich an kirchlichen Hokuspokus glauben, täte ich jetzt sagen: Schau runter auf uns, entspann Dich. Wir sind ja nicht auf der Flucht. So aber sage ich: Möge Dein Beispiel vielen Menschen helfen, Dein Humor, Dein Optimismus.
Ich danke Dir, Peter!