„Abnehmspritze ist keine Patentlösung“
Martin Clodi, Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, erklärt im RELATUS-Sommergespräch, was die vieldiskutierte „Abnehmspritze“ kann und was nicht.
Neue Diabetes-Medikamente sind derzeit in aller Munde, weil sie effektiv beim Abnehmen helfen. Ist der Hype um die sogenannte „Abnehmspritze“ gerechtfertigt? Die Abnehmspritze funktioniert, solange man sie anwendet. Wenn man damit aufhört, zeigen Studien, steigt das Körpergewicht bei der Mehrheit der Nutzer:innen wieder auf 70 Prozent des Ausgangsgewichts. Was man außerdem immer wieder hört, ist, dass die Spritze von Menschen genutzt wird, die sie gar nicht brauchen – beispielsweise in der Modebranche. Dafür ist sie nicht da, das führt nur zu einer Knappheit. In der Medikamentenentwicklung hat sich aber viel getan. Auf der einen Seite haben wir die SGLT-2-Hemmer, wo Glukose über die Niere abgebaut wird. Auf der anderen Seite gibt es GLP-1-Analoga. Beide Mittel senken enorm den Blutzucker, sind kardio- und nephroprotektiv und helfen bei Adipositas. GLP-1 Analoga und duale Agonisten auch bei jenen Menschen, die gar keinen Diabetes haben.
Das heißt, Sie verschreiben diese Medikamente auch Patient:innen, die keinen Diabetes haben? SGLT-2 Hemmer sind auch in der Indikation kardio- und nephroprotektion ohne Diabetes zugelassen. GLP-1 Analoga grundsätzlich auch. Sie sind in der EU zugelassen und Adipositas ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Patient:innen profitieren enorm durch eine Gewichtsabnahme. So sinkt das Risiko an Diabetes, Bluthochdruck oder ähnlichen Problemen zu erkranken. Wenn die Indikation gegeben ist, ist nichts falsch daran, diese Präparate zu verschreiben. Ich würde ihre Entwicklung durchaus als Durchbruch in der Adipositas-Therapie bezeichnen. Was mir an dieser Stelle aber wichtig ist: Im Moment gibt es Lieferengpässe, was bedeutet, dass Diabetes-Patient:innen, die auf das Medikament angewiesen sind, Probleme haben, es zu erhalten. In so einem Fall sollte man bei Verschreibungen in der zugelassenen Indikation bleiben, um Engpässe nicht noch zu verstärken. Abgesehen von Lieferschwierigkeiten sollte man außerdem darauf achten, ob die Patient:innen auch wirklich abnehmen wollen. Wenn jemand nicht auch gleichzeitig an seinen Gewohnheiten arbeiten möchte, machen die Medikamente auch wenig Sinn.