Abnehmen ist auch Hormonsache
Welche Rolle der Botenstoff Insulin bei Menschen spielt, die trotz Sport und Diät kaum Kilos verlieren.
Mit den warmen Tagen keimt bei so manchem auch ein altbekannter Wunsch wieder auf: Den Körper wieder bikini- oder badehosentauglich zu machen. Doch wer nun glaubt, es sei allein mit Diäten und mit mehr Sport getan, irrt: Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das Hormon Insulin – und wie empfindlich das menschliche Gehirn auf diesen Botenstoff reagiert. In einer Langzeitstudie namens Tuebinger-Lebenstil-Interventions-Programm (Tulip) untersuchen Forscher des Uniklinikums Tübingen seit dem Jahr 2003 unter anderem, wie groß der Einfluss des Insulins auf den Stoffwechsel ist und wie man den Botenstoff steuern kann, um übergewichtigen Menschen beim Abnehmen zu helfen – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Wie wirkt Insulin im Gehirn?
Steigt nach dem Essen der Zuckerspiegel im Blut, schüttet die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin aus. Über die Blut-Hirn-Schranke gelangt das Hormon auch rasch ins Gehirn. Dort reguliert es bestimmte Gedächtnisfunktionen und auch das Essverhalten. Doch vor allen Dingen steuert es den Stoffwechsel im gesamten Körper. „Sein Vorhandensein signalisiert dem Gehirn: ‚Der zugehörige Mensch hat gegessen‘“, sagt der Tübinger Diabetologe Martin Heni, der die Studie geleitet hat. An dieser waren auch Mediziner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Universitätsklinikums Tübingen und des Helmholtz-Zentrums München beteiligt. Der Stoffwechsel wird daraufhin vom Hypothalamus, einer Gehirnregion, die mittelbar und unmittelbar eine Reihe essenzieller Körperfunktionen wie Wasserhaushalt, Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme reguliert, angepasst.
Wie beeinflusst das Insulin das Körpergewicht?
Reagiert das Gehirn oder vielmehr der Hypothalamus sehr empfindlich auf das Hormon Insulin, wird Energie vor allem im ungefährlichen Fettgewebe unter der Haut gespeichert, und die Körperzellen werden dazu stimuliert, mehr Glukose aus dem Blut aufzunehmen. Doch Beobachtungen haben gezeigt, dass ein Teil der übergewichtigen Menschen, die vor allem zwischen den Organen Bauchfett angelagert haben, eine Insulinresistenz entwickelt haben: Ihr Stoffwechsel reagiert nicht mehr so stark auf das Hormon. Bislang ist ungeklärt, ob Übergewicht die Insulinresistenz im Gehirn verursacht oder ob das Übergewicht eine Folge eines insulinresistenten Gehirns ist.
Was bedeutet nun eine verminderte Insulinempfindlichkeit?
Reagieren beispielsweise die Zellen von Muskeln und Leber nicht mehr so empfindlich auf Insulin, dann dockt das Hormon zwar an die Oberfläche dieser Zellen an, die im Zellinneren ausgelösten Signale sind aber gestört und es wird weniger Zucker aus dem Blut in die Zellen aufgenommen als normal. Es liegt eine mehr oder weniger starke Insulinresistenz vor. Diesen Effekt gibt es auch bei den Nervenzellen im Gehirn. „Es kann zusätzlich auch der Insulintransport über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gestört sein“, sagt der Diabetologe Heni. Das bedeutet, es kommt bereits weniger Insulin im Gehirn an und die Nervenzellen reagieren zusätzlich noch unempfindlicher auf Insulin. Das hat zur Folge, dass der Stoffwechsel gestört sein kann. „Im restlichen Körper kann das Insulin dagegen manchmal trotzdem noch relativ gut wirken.“